Unerhört – der Podcast

Wer sind die Menschen, die München zu einer weltweiten Kulturstadt machen? Welche musikalischen Geheimtipps verstecken sich in dieser Stadt? Und welche Hotspots machen den Besuch in München einmalig für jeden Musikfan? Joanna vom „Munich – City Of Music“-Team stellt euch bei „Unerhört“ regelmäßig die Menschen und Locations in München vor, von denen jeder Musikfan auf jeden Fall gehört haben sollte!

Folge 14: Herbert „Herbi“ Hauke, Ausstellungsmacher „Tina Turner – Die Ausstellung“

Sie war eine der ganz Großen der Musikgeschichte: Viele Fans trauern nach wie vor um den Verlust der „Grande Dame des Rock“, Tina Turner. Ab dem 8. November haben Tina Turner-Fans die Möglichkeit, sie und ihr Leben hochleben zu lassen, dank einer neuen Ausstellung in der Pasinger Fabrik. Kuratiert und organisiert von Herbert „Herbi“ Hauke in Zusammenarbeit mit Fotograf Didi Zill.

Herbert Hauke

Herbi, was erwartet Tina-Fans bei der Ausstellung?

Herbi: Ich gehöre zu dieser wohl handverlesenen Anzahl der Leute, die Tina Turner zweimal im Leben persönlich treffen durften. Und ich muss sagen, dass mir beide Begegnungen für immer in Erinnerung geblieben sind. Sie war, unabhängig von ihrer künstlerischen Leistung, eine unglaublich beeindruckende Person. Das Charisma, das diese Frau hatte, und vor allem ihre Art, jedem Menschen einen wahnsinnigen Respekt entgegenzubringen.

Wann hast du Tina das erste Mal getroffen?

Herbi: Es war 1973, eine witzige Geschichte: Ich war damals in einer Clique und wir hatten uns monatelang vorher die Karten besorgt. Wir waren dann im Circus Krone und unterwegs habe ich aber Tina einen Strauß Moosröschen gekauft und wollte ihr als Rosenkavalier die Rosen auf die Bühne werfen. Nur bin ich etwas abgelenkt gewesen, weil wir saßen in der zweiten Reihe und in der ersten Reihe saßen die Rolling Stones. Das war natürlich ein atemberaubender Moment für einen 18-Jährigen. Und ich habe dann doch die Rosen auf die Bühne geworfen. Sie hat sich eine hinters Ohr gesteckt und dann auf mich runter gedeutet und gesagt: „This song is for you and it’s called ‚I’ve been loving you too long‘“ und hat dann 17 Minuten für ihren Rosenkavalier gesungen.

Und wann war dann die zweite Begegnung?

Es ist etwas, was sich heute die Leute gar nicht mehr vorstellen können. Nachdem sie 1976 Ike Turner verlassen hatte, der sie ja doch sehr, sehr schlecht behandelt hat, um mal vorsichtig zu sein, gab es einen wahnsinnigen Karriereknick. Sie wurde dann 1983 in München angekündigt, in der Alabamahalle, und es war überhaupt keine Kartennachfrage. Es haben alle großen Zeitungen Freitickets verlost. Die Abendzeitung hat 30 Karten verlost und ich war einer von wenigen, die dort überhaupt angerufen haben, um diese vergessene Tina Turner zu sehen. Es war ein magischer Moment, es war nämlich ein Jahr vor ihrem großen Comeback und ich habe da eine ganz besondere Erinnerung: Zum einen als sie den Song „Help“ von den Beatles gesungen hat, den man normalerweise, würde ich sagen, gar nicht anrühren darf. Aber das war ein derartiger Schrei aus ihrer Seele und ein Song, der mich bis heute noch packt. Und dann habe ich eben, weil kaum jemand da war, am Bühnenausgang auf sie gewartet. Ihr Bus stand schon in der kalten Novembernacht draußen auf dem Parkplatz. Dann hat sie zuerst einen Schal bekommen, von jemandem von ihrer buddhistischen Glaubensgemeinde. Mit dem hat sie sich bisschen unterhalten und sich dann mir zugewandt. Wir haben dann schon eine kleine Konversation gehabt und ich war aber etwas betäubt von ihrem fantastischen Parfüm. Sie hatte einen unheimlich beeindruckenden, dicken Pelzmantel an und hat dann so eine ganze Weile nach der Konversation zu mir gesagt: „Honey, I need to go, the bus is waiting outside“ und hat mich links und rechts auf die Wange geküsst. Und ich glaube, ich stand dann gefühlt noch zwei Stunden in der Novembernacht, im Parfümgeruch von Tina und mit ihren Küsschen auf der Wange.

In diesen winzigen Begegnungen hast du schon so viele unterschiedliche Facetten von Tina erwähnt: Diese herzliche Art, aber auch diese Leidenschaft für die Musik, für alles, was sie in ihrem Leben getan hat – und das, obwohl sie so ein bewegtes Leben hatte oder gerade weil sie so ein bewegtes Leben hatte. Führ uns ein bisschen durch diese Ausstellung: Wo fängt es an, wo hört es auf?

Es fängt mit einem außergewöhnlichen Bild an, dass ich gefunden habe, mit Ike und Tina Turner. Sie wurde ja im Rahmen einer Show, in einem Club namens „Manhattan“, vom Drummer von der „Ike Turner Band“ auf die Bühne gebeten und sollte spaßeshalber mitsingen. Da ist der Kontakt zu Ike Turner entstanden. Sie war fasziniert und nun begann also zum einen die Ehe, aber auch die musikalische Karriere. Wir beleuchten diese Zeit, über die großen Hits wie „River Deep – Mountain High“. Wir gehen weiter zu „Proud Mary“ mit einer sehr lustigen Installation. Das ist ja inspiriert durch den dahinrollenden, Schaufelrad-Dampfer des Mississippi. Dann wird ein großer Teil „Nutbush City Limits“ sein – ein Lied, das sie selbst geschrieben hat, wo sie eigentlich eher spöttisch über ihre kleine, dörfliche Herkunft singt, aber ein riesiger Hit. Wir feiern dann noch einmal ihren Geburtstag, den sie hier im Hotel Hilton gefeiert hat. Wir gehen ein auf ihre Filmkarriere. Wir gehen ein auf die sagenhaften Duette. Vielleicht könnt ihr euch noch erinnern, als ihr 1985 Mick Jagger auf der Bühne den Lederrock weggerissen hat. Und dann natürlich auf den Karriereknick. Danach diese riesige Rückkehr mit „Private Dancer“, ein Lied, das eigentlich Mark Knopfler für Dire Straits geschrieben hatte, aber nicht gebrauchen konnte. Und von da aus eine fantastische Karriere, die sie im Grunde dann nochmal in allerhöchste Höhen geführt hat. Sie ist uns heute erhalten geblieben, unter anderem über das „Tina Turner Musical“ und wir nehmen dann auch würdig Abschied von ihr. Wir haben auch einen Raum, der die Besucher sicher überraschen wird, wo wir uns dem Thema widmen, das ihr die meiste Kraft gegeben hat, nämlich der buddhistische Glaube.

Hast du ein bestimmtes Highlight in dieser Ausstellung, wo du sagst, das liegt dir besonders am Herzen?

Ja, denn diese Aktion mit der Rose, die hatte noch Folgen: Zum einen war ich in der Nacht noch eingeladen in die Präsidentensuite des Hotel Hilton, was auch nicht jedem vergönnt ist. Als ein halbes Jahr später der Nachfolger von „Nutbush City Limits“ herauskam, nämlich der Song „Sweet Rhode Island Red“, war meine Rose auf dem Cover. Das heißt, ich bin für ewig auf einem Plattencover von Tina Turner mit meiner Rosenaktion festgehalten. Das ist natürlich schon ein unglaublicher Moment, der mich dann auch verbunden hat mit dem Fotografen Didi Zill, der hier auch die ganzen tollen Bilder für die Ausstellung zur Verfügung stellt.

Ich gehe mal davon aus, dass die allermeisten mit dem Namen Tina Turner etwas anfangen können. Für all diejenigen, die vielleicht nicht so vertraut sind mit ihrer Musik: Warum empfiehlst du in diese Ausstellung zu gehen?

Ich denke, wer möchte, kann aus dieser Ausstellung rausgehen und wirklich etwas für sich mitnehmen: Wie kann man mit Niederlagen im Leben umgehen? Wie kann man stark aus Situationen herauskommen? Welchen Halt kann ich im Leben finden? Und welche Intensität kann ich eigentlich in ein Leben legen, wenn ich mir Ziele setze, und wenn ich – eben das, was sie ausgezeichnet hat – anderen Menschen mit Respekt, Liebe und friedlicher und positiver Absicht begegne? Von daher, ist es mehr als nur jemand, der Lieder gesungen hat. Sie ist wirklich eine wahnsinnige Inspiration und ich denke, auch für Frauen ein großes Vorbild – wenn man diese Dame gesehen hat, wie sie mit 70 noch über die Bühne gefegt ist. Man muss nicht gleich zum alten Eisen gehören…as long as you still got some Rock’n’Roll in your soul.

Folge 14: Anton Biebl, Kulturreferent der Stadt München

Er kennt die Münchner Musikszene wie kaum ein anderer: Anton Biebl ist seit 2019 Kulturreferent der Stadt München. Der gelernte Jurist arbeitet aber nicht nur für die Kultur, er lebt sie auch. Spätestens seine beeindruckende Plattensammlung beweist das. Was er sich für die Münchner Kulturlandschaft wünscht, wie das Kulturreferat kreative Köpfe fördern möchte und welche Lieder ihn sein Leben lang begleitet haben, verrät Anton Biebl im Interview.

Anton Biebl

Eigentlich wolltest du mal Pilot werden, hat dann aber nicht geklappt, weil du trägst eine Brille. Dann hast du Jura studiert und bist dann aber bei der Kultur hängen geblieben. Warum?

Anton: Ich weiß nicht, wer das Geheimnis mit dem Piloten erzählt hat, aber das ist richtig. Die zweite Vorliebe ist tatsächlich Geschichte. Aber ich musste irgendetwas studieren, wo es auch bessere Verdienstchancen gibt. Das war dann Jura. Für mich war es auch immer ganz wichtig, dass ich in München und auch für die Stadt München arbeiten kann. Und da ist man als Jurist auf vielen Ebenen einsetzbar.

Du bist seit Juli 2019 Kulturreferent dieser schönen Stadt, langweilig ist dir auf jeden Fall nicht. Wie sieht denn so ein typischer Tag bei dir aus?

Anton: Langweilig ist es überhaupt nicht. Ich könnte jetzt auch gerne meinen Terminkalender für heute durchsprechen: Es war vorhin schon ein Mitarbeiter hier, zu einem Mitarbeitergespräch. Also gehört Personalführung mit dazu. Danach hatte ich ein Telefonat, das sind ganz schöne Aufgaben als Kulturreferent: Wenn jemand einen Preis gewonnen hat, dann darf ich immer anrufen und Preisträgerinnen und Preisträger informieren. Dann werde ich ein Gespräch haben zur Nachbereitung von “Olympia ‘72”, wie wir auch mit dem Attentat geschichtlich weiter umgehen. Ich treffe mich dann noch mit Vertretern der Lach- und Schießgesellschaft. Ganz am Ende geht es dann auch um Stadtgeschichte. Und um 19:30 Uhr bin ich bei einer Ausstellungseröffnung. Das ist ein durchschnittlicher Tag eines Kulturreferenten. Also ich weiß, was es bedeutet, 12 bis 15 Stunden zu arbeiten. Aber es macht auch einen Haufen Spaß.

Joanna de Alencar Baban mit Anton BieblDu musst als Kulturreferent sehr offen sein für alle kulturellen Themen. Was bedeutet dir persönlich denn die Musik?

Anton: Musik ist für mich extrem wichtig. Ich habe jetzt auch die Musik wieder ausgeschaltet, weil ich höre eigentlich den ganzen Tag über Musik. Ich lese auch sehr viel, aber Musik ist absoluter Schwerpunkt. 

Und was hörst du da den ganzen Tag? 

Anton: Es ist immer ganz unterschiedlich, aber ich höre wahnsinnig gerne Ö3 oder italienische Sender. Da gibt es “Lattemiele”, der läuft so quer durch.

“Lattemiele”, also “Milch und Honig”. Wieso ausgerechnet Italienisch?

Anton: Ich habe ein Faible für Italien, das muss ich zugeben. Ich bin auch oft in Italien und ich glaube, ich kenne mich in der italienischen Musik ziemlich gut aus. 

Irgendwelche Favoriten? 

Anton: Der Favorit ist für mich Vasco Rossi. Dann kommen eigentlich gleich Lorenzo Jovanotti, Luca Carboni und Marco Mengoni.

Als nördlichste Stadt Italiens macht das auch Sinn, hier den einen oder anderen italienischen Sender zu hören. In den letzten Jahren war es aber sowohl in Italien als auch hier sehr schwer, was das Thema Kultur angeht. Du hast im Sommer 2019 angefangen, bisschen über ein halbes Jahr später hieß es: Alle daheim bleiben, keine Kultur, weil nicht systemrelevant. Was ging dir damals durch den Kopf?

Anton: Das war eine sehr schwierige Zeit. Ich habe die Tätigkeit als Kulturreferent begonnen, indem ich Handlungsziele formuliert habe. Dann kam Corona dazwischen und diese strategischen Möglichkeiten waren auch begrenzt. Wir haben versucht, möglichst weit die Kultur zu schützen, auch mit Unterstützungen, mit bestimmten Formaten. Wir haben auch versucht, wahrzunehmen, was die Corona-Verordnungen zugelassen haben. Wir haben in der Philharmonie, die 2400 Plätze hat, vor 50 Zuschauern gespielt. Die Philharmoniker haben in Höfen vor Altersheimen gespielt. Wir haben diese Formate im Olympiastadion mit Abstand gehabt. Das war der eine Punkt. Der zweite Punkt ist, dass wir finanziell versucht haben, die Kultur, soweit es geht, zu unterstützen. Und ich glaube, dass uns das ganz gut gelungen ist. Man darf auch nicht vergessen, dass während dieser Zeit auch noch Haushaltskonsultierung war. Da war aber auch mein Ziel, dass die freie Szene möglichst nichts davon mitbekommt. Und das ist bisher gelungen.

Gerade in Krisenzeiten muss man wahnsinnig flexibel sein. Da ist man als Stadt extrem darauf angewiesen, dass es auch Privatmenschen gibt, die die Initiative ergreifen. Und einer, der das seit vielen Jahren macht, ist Herbert Hauke. Er hat jahrelang das Rockmuseum betrieben, bietet Ausstellungen in der Pasinger Fabrik an und hat mit diversen anderen Leuten dieses Portal “Music City of Music” gegründet. Wie wichtig ist es dir, dass es Menschen in der Stadt gibt, die sagen: Ich mache etwas für die Kultur! Und wie wollt ihr das als Kulturreferat in Zukunft fördern?

Anton: Zunächst finde ich es sehr schade, dass es das Rockmuseum nicht mehr gibt. Es war wirklich immer einen Besuch wert. Ich finde es gut, dass der Herbi es einigermaßen geschafft hat, das Ganze mit Ausstellungen und Buchpublikationen zu ersetzen. Ich finde auch diesen Podcast, den ihr anbietet, sehr wichtig. Da bin ich immer dabei, das mit zu unterstützen. Wir können im Kulturreferat nur Kultur ermöglichen. Wir müssen jetzt also schauen, dass die Rahmenbedingungen einigermaßen stimmen. Das Finanzielle, das Räumliche und da ist irgendwann beim Kulturreferat das Ende erreicht. Ich bin aber, unabhängig davon, der Auffassung, dass die Kulturlandschaft in München sich sehen lassen kann. Wir haben vorher über meinen Terminkalender gesprochen. Was da jeden Abend, jeden Tag, am Wochenende in München kulturell geboten, ist außerordentlich. Da sind alle, die für Kultur stehen, und da ist der Herbi auch einer, der die Rockkultur ganz stark voranbringen kann.

Wenn ich als Privatperson eine Idee habe für ein kulturelles Projekt, für eine Band, für eine musikalische Veranstaltung: Kann ich mich dann einfach ans Kulturreferat wenden?

Anton: Man kann sich einfach ans Kulturreferat wenden. Wir haben natürlich eine eigene Sachbearbeiterin für Musik. Wir haben auch im Feierwerk eine eigene Fachstelle Pop, die diesen gesamten Bereich abdeckt –  über Auftritte, über (Probe-)Räume, auch über das Thema Vergütung. Wir versuchen auch bei Neubauten Proberäume zu finden und auszustatten, damit wir hier auch die Pop- und Rockmusik unterstützen können. Also einfach beantragen, ins Internet schauen, da gibt es sogar eine neu erstellte Website. 

Also München ist und bleibt eine Musikstadt für dich? 

Anton: Ja, auf jeden Fall. Wir reden jetzt über Pop- und Rockmusik, aber wir sehen es auch bei den klassischen Orchestern: Die Münchner Philharmoniker, das  Rundfunkorchester, das Kammerorchester, das Opernorchester, aber auch im zeitgenössischen Bereich. Wir liefern unheimlich viel in der Stadt München.

Ich habe gehört, dass du mit der Band “Queen” sehr viel anfangen kannst. Warum?

Anton: Eines meiner Lieblingslieder ist “Bohemian Rhapsody” von Queen. Als ich jung war, gab es in München mehrere Diskotheken. Es gab unter anderem das Sugar Shack. Es war total schwierig, da reinzukommen. Da bin ich dann reingekommen und einmal sozusagen Polster an Polster neben Freddie Mercury gesessen. Das ist meine persönliche Erinnerung an Freddie Mercury und Queen.

Und du wusstest damals, dass das Freddie Mercury ist?

Anton: Ich wusste, dass es Freddie Mercury ist. Das war schon beeindruckend. 

Aber hast du ihn nicht angesprochen? 

Nein, die Befangenheit hat überwogen (lacht). 

Was fasziniert dich denn an der Band Queen?

Anton: Mich fasziniert an der Band, dass ich jedes Lied immer wieder hören kann. Deswegen habe ich auch die ganzen Queen-Platten, die etwas gelitten haben, jetzt alle wieder neu nachgekauft, weil ich wieder meinen Plattenspieler entdeckt habe. Ich entdecke immer wieder neue Lieder und auch die ganzen Arrangements. Freddie Mercury als Person ist einfach beeindruckend, und natürlich auch, was ich gelernt habe, wie wichtig eigentlich München für ihn war. Deswegen freue ich mich auch, dass wir die Erinnerungen an Freddie Mercury zusammen gestalten und hoffentlich einen angemessenen Erinnerungsort finden werden.

Du hast gerade deine Plattensammlung angesprochen. Abgesehen von den Queen-Platten, was findet man da sonst noch?

Anton: Die ganze Bandbreite. Ich habe mir jetzt die vierte Platte von Vasco Rossi gekauft, von seinem letzten Konzert in Rom. Es geht weit über Nils Kugelmann, der wahnsinnig guten Jazz macht. Es geht aber auch weiter mit Platten von den Münchner Philharmonikern mit den ganzen Bruckner-Symphonien. Dann entdecke ich immer wieder alte Lieder, zum Beispiel Andreas Vollenweider, Pink Floyd natürlich. Ich habe mir die ganzen Platten von Jean-Michel Jarre gekauft. Was ich fast vergessen hätte: Die Österreicher, also Fendrich, Ambros, Danzer.

Gibt es denn einen Titel oder eine Platte, die dich besonders geprägt hat?

Anton: Da ist es einerseits Deep Purple, das Lied “Sweet Child in Time“. Es gibt auch ein Lied, das mich eigentlich die ganze Zeit begleitet, und das ist John Miles “Music” – beziehungsweise parallel dazu von Eros Ramazzotti “Musica è”. Das sind Lieder, die ich mir immer anhören kann, und die geben einem so viel zurück. Die beschreiben einfach, dass Musik ein Freund sein kann und immer begleitet und immer ansprechbar ist. Und das ist sozusagen meine Liebe zur Musik.

Music was my first love…und auch etwas, was ganz viele Menschen verbindet.

Anton: Ganz genau. Wenn man auf Konzerten ist, sieht man genau, wie Musik wirkt und wie viele Menschen in Verbindung treten können. 

Wenn du es dir aussuchen könntest: Wie sähe die Zukunft der Münchner Kulturlandschaft für dich aus?

Anton: Es gibt zwei Punkte, die mich beschäftigen. Das ist zum einen das Thema Raum. Gerade wenn wir über Musik sprechen, das Thema Proberäume, aber auch eben Auftrittsmöglichkeiten. Vielleicht auch unorganisierte Auftrittsmöglichkeiten, beispielsweise Raves oder Ähnliches, was in einer engen Stadt wie München sehr schwierig ist. Das zweite, was mich sehr beschäftigt, ist das ganze Thema FairPay. Ich merke, dass wir da noch ziemlich weit weg sind. Es ist schon erschreckend, was wir da an Nachholbedarf haben. Und dann hoffe ich, dass unsere kulturelle Infrastruktur weiter ausgebaut wird, wo ich dann auch Stadtteilkulturzentren, Bibliotheken, aber auch so etwas wie den Gasteig mit dazu zähle.

Auf was genau beziehst du dich bei FairPay?

Anton: Ich beziehe mich da auf alle künstlerischen Sparten. Wir haben verschiedene Untersuchungen gemacht bei den bildenden Künsten und auch bei den darstellenden Künsten. Ich habe auch zum Beispiel Kalkulationen von manchen Orchestern oder Theatern, die mal hochgerechnet hätten, was FairPay für sie bedeutet. Da sind wir bei sechsstelligen Summen, bei einzelnen Einrichtungen. Und dieses Geld habe ich im Gegenteil dazu nicht. Das ist das, was mich immer so beschäftigt. Wieviel wird eigentlich nicht ausbezahlt oder nicht bezahlt? Und wieviel eigene Ausbeutung ist eigentlich in diesem Bereich vorhanden?

Diversitätsförderung spielt da wahrscheinlich auch mit rein…

Anton: Genau, Diversität ist auch eines meiner Handlungsziele. Deswegen haben wir auch hier so eine Art “Gruppe der Vielheit”. Wir arbeiten auch mit MORGEN e.V. zusammen, der deckt ungefähr 65 Migrantenorganisationen ab. Ich denke schon, dass wir die Diversitäts-Brille aufhaben und auch da kann Musik unheimlich verbinden.

Folge 13: Uwe Fahrenkrog-Petersen, Musiker, Produzent und ehemaliges Mitglied von NENA

Mit 12 Jahren war für Uwe Fahrenkrog-Petersen klar: Ich werde Rockstar! Er tauschte die Orgel, die er damals spielte, gegen die Gitarre, gründete seine erste Band und schrieb mit 21 Jahren den Song, der sein Leben veränderte: „99 Luftballons“. Doch seine Leidenschaft für Musik endete nicht bei der Neuen Deutschen Welle. Viele musikalische Experimente, Auslandsaufenthalte und Kollaborationen später, bringt Uwe Fahrenkrog-Petersen jetzt sein neuestes Herzensprojekt ins Deutsche Theater: Das Musical „Wüstenblume“ feiert am 05. Oktober seine große Premiere.

Uwe Fahrenkrog-Petersen

Lieber Uwe, ich weiß, es steht ein langer Tag bevor. Wie startet denn dein Tag? Hörst du auch Musik morgens?

Uwe: Mein Tag startet meistens mit mindestens drei Espressi, damit ich überhaupt die Augen aufkriege, weil ich muss ja irgendwie meine kleinen Töchter zur Kita und zur Schule bringen. Da ich auch spät abends gerne lange arbeite, ist die Nacht immer sehr kurz. Im Moment höre ich morgens am liebsten – ist ja noch Sommer – brasilianischen Bossa Nova. Da kriege ich gleich immer gute Laune.

WüstenblumeIn knapp fünf Wochen kommt dein Herzensprojekt auf die Bühne des Deutschen Theaters: Es ist das Musical “Wüstenblume”, basierend auf dem Bestseller. Der war ja damals (1998) schon ein Riesenerfolg. Er thematisiert wirklich harte Themen, von Zwangsheirat bis Genitalverstümmelung. Wie hast du es hinbekommen, solche Themen in eine musikalische Form zu gießen?

Uwe: Es ist ein Märchen, ein Cinderella-Märchen. Klar, wie auch bei Grimms Märchen gibt es da schlimme Sachen, die passiert sind, und auch eine dramatische Handlung. Aber es ist ja ein wahres Märchen über Waris Dirie, es ist ihre Geschichte. Wie ein Mädchen aus unmöglichen Verhältnissen aus der Wüste Somalias, die weder lesen noch schreiben könnte, es geschafft hat, die Welt ein großes Stück besser zu machen. Ihre Lebensgeschichte ist unheimlich facettenreich, von der Zwangsheirat mit den fünf Kamelen, die für sie bezahlt wurden, bis hin zu ihrer Flucht durch die Wüste, allein zu Fuß 500 Kilometer durch die Sahara. Dann obdachlos in London auf den Straßen gestrandet, wurde sie als Klo-Mädchen bei McDonalds entdeckt von einem Fotografen. Dann zum ersten dunkelhäutigen Supermodel auf dem Cover der amerikanischen Vogue. Eine unglaubliche Geschichte mit noch vielen dramatischen und auch total witzigen Wendepunkten. Eben bis zu dem Punkt, wo sie auf dem Höhepunkt ihrer Karriere gesagt hat: So, jetzt habe ich alles erreicht, was man sich gar nicht erträumen konnte. Cinderella würde jetzt in das Schloss ziehen mit ihrem Prinzen. Und genau da dreht sie sich um und sagt, ich gehe jetzt zurück und nutze meine Popularität und rette die anderen Mädchen. Die Menschen kommen da raus, nicht mit dem Gefühl “Oh, das ist eine dramatische Geschichte”, sondern: Wenn dieses kleine Mädchen das geschafft hat, die Welt zu verändern, dann kann ich das ja auch, dann kann das jeder von uns. In der Schweiz lief es deshalb schon zwei Jahre so erfolgreich.

Wer war denn alles beteiligt an der Realisierung dieses Musicals?

Uwe: Ich habe angefangen mit Waris zusammen vor inzwischen zehn Jahren das Ganze zu entwickeln. Es hat ziemlich lange gedauert, ein Musical ist nicht einfach zu machen. Da geht es nicht nur um das Musik Schreiben oder jemanden zu finden, der die Texte macht, sondern ich brauche auch einen tollen Autor, der das Buch schreibt, sozusagen die Adaption für die Bühne. Es braucht vor allem ein Theater, das bereit ist, so viel Geld in eine Neuaufführung zu investieren – was heutzutage kaum noch passiert, weil  meistens nur irgendwelche Hollywood-Schinken mit einem Lied versehen, auf die Bühne gebracht werden. So war es doch ein langer Werdegang. Gil Mehmert ist an Bord gekommen, als Regisseur und Autor. Er war schon sehr erfolgreich mit “Das Wunder von Bern” und hat es gewagt, das jetzt anzugehen. Und vor allem eben das Theater St. Gallen.

Musicals sind nur eine von diversen Formen, wie du dein musikalisches Talent auslebst. Du hast Neue Deutsche Welle gemacht, Filmmusik, US-Rock: Gibt es etwas, was du besonders gerne machst?

Uwe: Eigentlich Musicals, weil da habe ich auch lange darauf gewartet. Ich hatte schon Ende der 90er-Jahre angefangen, Stoffe zu entwickeln und mich damit sehr intensiv zu beschäftigen. Aber wie gesagt, es ist ein langer Weg, so etwas auf die Beine zu stellen. Dass es jetzt mit “Wüstenblume” geklappt hat, ist toll. Ich habe eine spannende Handlung mit tollen Darstellern. Ich habe eine Band, ich habe Lichteffekte, ich habe Choreographie und all das live. Das hat kein anderes musikalisches Medium zu bieten und deswegen ist es total aufregend. Ich will nochmal sagen, dass ist jetzt nur zwei Wochen in München, dann geht es auf Europatournee. Das ist wirklich eine Riesenchance, das zu sehen. 

Du kannst auf viele Jahre Erfahrung und auch auf diverse Kulturen zurückblicken: Du hast in den USA, in Tokio und Südkorea gearbeitet und gelebt. Gab es im Ausland eine besondere Erfahrung, die dich langfristig geprägt hat? 

Uwe: Am prägendsten war Tokio, weil es eine völlig andere Kultur ist. Man fühlt sich wie auf einem anderen Planeten und kann sich dabei aber auch selbst neu erfinden. Weil man ist sowieso der bunte Vogel, der da gar nicht reinpasst und kann eigentlich alles machen, was man will. Ich habe mal zum Frühstück meinen besten weißen Smoking angezogen und bin da in Harajuku rumgelaufen und habe nur Komplimente gekriegt (lacht). Die dachten, das wäre die neue Mode aus Europa. Es macht Riesenspaß, sich neu zu erfinden.

Du hast auch mit vielen Leuten zusammengearbeitet in den letzten Jahrzehnten: Sei es eine Kim Wilde, sei es ein sehr junger Justin Timberlake oder Produzenten-Genie Nile Rodgers. Gab es einen Tipp, den du mal bekommen hast, der hilfreich war und den du auch an die jüngere Generation weitergeben willst? 

Uwe:  Tipp nicht, aber man sieht wie manche Künstler arbeiten. So tolle Leute wie Nile Rodgers. Für mich war es immer unglaublich, dass er wie ein Stehaufmännchen nach jedem Projekt einfach wieder mit einer noch größeren Sache kommt, auch in dem Alter. Das ist auch mein Wunschkonzept. Ich hoffe, dass es bei mir eben auch noch eine Weile weitergeht.

Ein Stehaufmännchen bist du definitiv auch. Glaubst du, du stehst mit 85 noch im Studio? 

Uwe: Auf jeden Fall, sogar länger, würde ich sagen. Ob der 99 Luftballons, bis 99 auf jeden Fall (lacht). 

“99 Luftballons” ist ein gutes Stichwort. Der Song feiert dieses Jahr 40 Jahre. Das war damals der Geniestreich für dich. Wenn du jetzt 2023 auf diesen Song und auf diese Zeit zurückblickst, würdest du etwas anders machen? Oder bist du immer noch stolz auf das, was damals kreiert wurde?

Uwe: Ich bin total stolz auf das, was kreiert wurde. Ich würde nur die Band nicht “NENA” nennen, nach der Sängerin. Weil jetzt denkt jeder, dass der Song von Nena ist. Nein, das war eine Band, und das war ein Riesenfehler. Aber sonst würde ich alles genauso machen. Ich stehe auch mit Erstaunen davor, was wir damals zusammen geschafft und erreicht haben, das war unglaublich. Wir waren letztendlich die erfolgreichste deutschsprachige Pop-Band der Welt. Wie wir das geschafft haben, aus Berlin Charlottenburg, ist mir auch heute noch ein Rätsel.

In so einem jungen Alter, standet ihr schon auf internationalen Bühnen. Bis heute laufen die Songs in amerikanischen Filmen und Talkshows. Wie ist das für dich?

Uwe: Toll (lacht). Es ist das, was ich immer wollte. Ich habe mich mit zwölf Jahren definitiv entschlossen, Rockstar zu werden. Ich habe dann auch wirklich nichts anderes mehr gemacht. Ich habe in den Ferien gearbeitet, um mehr Instrumente kaufen zu können. Ich habe mit zwölf meine erste Band gegründet, habe mit 18 meinen ersten Plattenvertrag bekommen und den Preis für beste Rockband in Berlin gewonnen. Dass es dann irgendwann klappen würde, das konnte man nicht wissen und konnte man nicht glauben. Die Chancen stehen so unglaublich schlecht, dass man das wirklich schafft. Dass ich es dann geschafft habe, das ist ein Wunder.

Ein “neues, altes” Projekt von dir ist “New Atlantis Project”. Da geht es um diese Utopie, um die Vision und die Hoffnung auf eine bessere Welt. Wie sieht denn deiner Meinung nach eine bessere Welt aus?

Uwe: Ich mache das “New Atlantis Project” zusammen mit meiner Frau. Wir arbeiten da seit sieben Jahren dran. Es ist ein Musikprojekt, das eine utopische Welt fühlbar und erlebbar machen soll. Da arbeitet man mit vielen Leuten zusammen, aus unterschiedlichen Bereichen: Architekten zum Beispiel, vom Zukunftsinstitut bin ich sehr inspiriert. Das ist eine Science-Fiction-Geschichte, das Ganze ist also keine wahre Geschichte. Ich bin auch dabei eine ganz tolle Science-Fiction-Schreiberin aus den USA zu verpflichten, die sich mit dem Thema “utopische Welt” auskennt. Wir kennen ja immer nur das Dystopische. Auf Netflix oder Amazon gibt es nur dystopische Science-Fiction-Serien. Alles am Ende, alles ist kaputt, alles ist grau. Ja, so könnte es sein, aber so muss es nicht sein. Dazu müssen wir uns auch als Gesellschaft sicherlich weiterentwickeln. All das mal zu erfassen, das ist ein bisschen die Aufgabe von “New Atlantis Project”.

Das ist eine sehr positive Perspektive. Oft habe ich das Gefühl, dass viele Leute ein bisschen verdrossen und verzweifelt sind und nicht diesen positiven Blick auf die Zukunft haben. Warum ist dir das so wichtig?

Uwe: Das ist mir deswegen wichtig, weil ich zwei kleine Kinder habe. Ich hatte das Glück, in einer heilen Welt ohne Kriege aufzuwachsen, wo eigentlich alles möglich war. Das möchte ich für meine Kinder auch. Im Moment ist ja vieles sehr bedrohlich und bedrängend, aber man darf sich davon nicht fertig machen lassen. Es gibt keinen grundlosen Optimismus, aber man muss eben auch arbeiten für eine utopische Welt und jeder muss Verantwortung übernehmen.

Und welche Rolle spielen dabei Kultur und Musik?

Uwe: Natürlich eine führende. Auch wenn Jens Spahn gesagt hat, dass das alles nicht systemrelevant ist, sind Kultur und Musik natürlich schon immer mehr als systemrelevant gewesen, nämlich kulturprägend. Und deswegen müssten auch mehr Musiker, Schauspieler, andere Künstler aufstehen und eben auch mal aus dieser Trägheit aufwachen.

Folge 12: Wolfgang Flür, Musiker und ehemaliges Mitglied von Kraftwerk

Nur sehr wenige Menschen auf dieser Welt können von sich behaupten, etwas Einmaliges erfunden zu haben. Etwas, das es so zuvor noch nie gegeben hat. Einer dieser Menschen ist Wolfgang Flür. Ein Mann, der seine Schreiner-Lehre an den Nagel hängte, um Teil eines weltweiten Phänomens zu werden. Als Schlagzeuger der legendären Elektrogruppe Kraftwerk erlebte er früh, was es hieß, anders zu sein in der Musikwelt. Denn bevor Kraftwerk zur Inspirationsquelle für viele junge Bands wurde, war es ein langer Weg. Wie der Weg für Wolfgang Flür (im Bild unten zusammen mit Herbi Hauke) nach seiner Zeit bei Kraftwerk weiterging, wie er das Geschichten-Erzählen für sich entdeckte und was Fans für die Fortsetzung seines erfolgreichen Albums “Magazine 1” erwarten können, erzählt er Joanna in dieser Folge von “Unerhört”.

Wolfgang Flür trifft Herbi Hauke

Lieber Wolfgang, ich bin jetzt 27 Jahre alt, also genauso alt wie du, als du damals Teil von Kraftwerk wurde. Was ist denn der erste Gedanke, der dir in den Kopf schießt, wenn du an diese Zeit zurückdenkst?

Wolfgang: Einige von uns haben ein Instrument gespielt und wir haben dann irgendwann so fröhlich vor uns hin gesungen. Keiner von uns konnte singen. Das war mehr so ein Sprechgesang. Aber das war komisch genug, dass es damit gut losging, vor allem in Amerika. Jetzt bin ich 50 Jahre älter als du, aber ich fühle mich nicht so. Die Musik ist immer noch mein Hauptgebiet, was mir Freude macht – auftreten und Musik machen, aber jetzt meine eigene Musik. Zehn Jahre nach Kraftwerk habe ich wieder angefangen und es war gut, dass ich mir diese lange Auszeit genommen habe, damit ich überhaupt zu mir finde und den eigenen Wolfgang mal entdecke. Dass ich viel mehr kann als nur trommeln. Ich war früher mal gelernter Schreiner, bin noch beim Holz geblieben, beim Trommeln. Das habe ich aber irgendwann gelassen. Und dann habe ich mit Florian (Schneider) zusammen das elektrische Platten-Schlagzeug mit Metallplatten und Metallstäben entwickelt, aus einer alten Drum Box, die, die schon hatten, wo die Sounds drin waren. Aber das war eben revolutionär und damit ging die ganze Elektrizität in unserer Musik los, mit dem neuen Synthesizer, den es davor noch nicht gab.

Stichwort revolutionär: Es war tatsächlich so, dass es das, was ihr gemacht habt, so davor nicht gab. Wie lebt es sich denn mit dem Wissen, dass man damals etwas so Einmaliges geschaffen hat, was danach auch so viele Leute inspiriert hat? 

Wolfgang: Mit Fame kann ich nicht gut umgehen. Das erlebe ich auch in Deutschland, Gott sei Dank, gar nicht so. Wir sind hier ganz normale Jungs. Ich glaube, meinen Kollegen geht es ganz genauso. Wir waren nie so Rock- oder Popstars, nach denen sich vorne an der Bühne die Mädchen verzehrt haben, weil wir auch keine schönen Sänger waren. Wir sahen durchschnittlich aus und wir haben uns hinter Maschinen und Geräten versteckt. Wir wollten ja niemanden nachmachen. Wir hatten keine Idole. In Deutschland gab es nichts, was wir gerne nachgespielt hätten. Wir haben immer nach Amerika geguckt und England, die Top Ten jeden Samstag. Ich war Beatles-Fan, ich wollte spielen wie Ringo Starr. Die Moderne kam über die Elektrogitarren und über Orgelmusik, was damals so verwendet wurde für die sogenannte “Popmusik”, die wir in Deutschland nicht hatten. Und dann haben wir das auf unsere Weise aber weitergeführt und den anderen dann die lange Nase gezeigt, dass wir das nach England brachten, was vorher von England zu uns kam. Die haben dann alle ihre Gitarren weggeschmissen, wie O.M.D. zum Beispiel, und haben dann den Brit-Pop und Synth-Pop entwickelt und sind damit sehr erfolgreich geworden.

Ich war letztes Jahr in einer Bar in Brasilien und da lief im Hintergrund „Das Model“. Das ist jetzt auch schon 25 Jahre her, dass das Lied rauskam. Gewöhnt man sich da jemals daran, dass diese Musik weltweit auch nach wie vor gehört wird?

Wolfgang: Tatsächlich gewöhnt man sich daran. Als ich mit meiner Frau vor ein paar Jahren eine Tournee in Mexiko gemacht habe, also mit meiner Musik, da haben wir Kraftwerk-Musik in Aufzügen von unseren Hotels gehört oder in Bars und Lounges. Das war amazing. Wenn man das so hört, dann denkt man: Hätten wir das geahnt damals? Nein, absolut nicht! Wir wurden für verrückt erklärt, vor allem in der deutschen Presse. Wir waren verrückte Knöpfchendreher. Dass Popmusik machen richtig viel Arbeit ist, das wissen die wenigsten Menschen. Seit ich meine eigene Musik mache, kapiere ich das auch, wie viel Arbeit da drinsteckt. Früher war ich nur Trommler und war relativ selten im Studio gebraucht und nachher gar nicht mehr, weil ja dann Sequenzer gekauft wurden, die den Drummer ersetzt haben. Da wurde der ganze Schlagzeug-Krempel programmiert. Das war erstmal eine schlimme Zeit für mich, aber später wusste ich, das war genau richtig. Das war gut, dass ich da nicht mehr reinpasst habe und nicht mehr gebraucht wurde. So war ich gezwungen, mich selbst neu zu erfinden. Ich weiß nicht, wenn ich dabei geblieben wäre, ob ich heute noch Lust hätte, nach 50 Jahren jeden Abend “Autobahn”, „Das Model” oder “Computerwelt” zu spielen, aber dann nur an so Knöpfchen. Die sind ja auch jetzt in die “Hall of Fame” aufgenommen worden. Ist ja alles eine schöne Ehre, aber wenn man so eine Statue im “Museum of Modern Art” ist, dann ist man einfach ein Museumsstück. Und so auf der Bühne hätte ich nicht mehr spielen wollen. Meine neue Musik, die hat viel mehr mit Humanismus zu tun, die ganzen Themen, die uns heute angehen – mit Krieg, mit Anti-Krieg, mit Sozialismus. Aber auch alles in einer Form, die sehr gut erzählt werden muss. Und das ist mein Talent, das ich später erst entdeckt habe: Der Geschichtenerzähler in mir. Ich muss erstmal eine Geschichte schreiben. Und wenn ich meinen Text schreibe, entsteht die Melodie, wie man das singt, automatisch dabei. Da brauche ich mir gar keine Gedanken zu machen. 

Ich habe einen neuen Partner seit sieben Jahren, Peter Dugall. Er ist viel jünger als ich, der könnte mein Sohn sein. Den habe ich in England kennengelernt, während einer Einladung zu einem Arts-Festival. Peter hat mich am Flugplatz abgeholt, in Leeds. Der machte auch Musik, war ein ganz bisschen scheu, aber wir haben uns sehr, sehr schnell angefreundet. Dann habe ich mir Sachen von ihm angehört und gesagt: “Das gefällt mir unheimlich gut”. Das war keine Popmusik. Er kommt mehr aus der technischen Musik, aber er ist unglaublich romantisch, das war für mich Filmmusik. Ich kann mit jedem Musiker arbeiten, wenn die Chemicals stimmen. Wenn wir uns mögen, wenn da irgendetwas berührt in der Musik. Ein netter Mensch muss es erst einmal sein, dann kann da etwas passieren. Und es ist sehr viel passiert auf dem “Magazine 1”. Da habe ich auch mit Juan Atkins zusammengearbeitet. Der hat uns was zur Verfügung gestellt. Midge Ure, den habe ich hier in Düsseldorf kennengelernt. Während zwei Konzerten haben wir Backstage Sause gemacht, aber ordentlich. Und da sind wir uns so freundlich begegnet, als wenn wir schon lange Brüder wären. Das ging sowas von ratzfatz, dass er sagte: “Wolfgang, wir müssen irgendwas zusammen machen! Wenn du gerade an einem Album arbeitest, warum nicht jetzt?”. Sage ich: “Natürlich, hast du eine Idee?”. Zwei Wochen später hatte ich einen Vorentwurf von ihm auf meinem Rechner und er hat das Stück genannt “Das Beat”. Dann hab ich ihm später gesagt: “Das heißt in Deutschland DER Beat, bitteschön”. Und dann hat er gefragt “Should I Change it?” und ich habe gesagt, nein, das klingt lustig, wenn der Engländer sagt, “DAS BEAT DAS BEAT DAS BEAT”. Dann hat er gesagt: “Du bist wie Ringo Starr für die Beatles. Wir haben großen Respekt und das ist meine Hommage an dich”. Das war also ein Vorentwurf. Dann habe ich meine Texte dazu geschrieben und er seine. Und danach haben wir ein Duett gesungen zu “Das Beat”. 

Ist das neue Album (“Magazine 2”) auch ein Konzeptalbum?

Wolfgang: Es geht weiter in dem Stil. Wir haben jetzt wieder einige Kollaborateure. Nochmal eins mit Juan Atkins in einem anderen Track. Der ist ganz lustig geworden mit einem schönen Bass von Juan Atkins, der so schön posh, arrogant, mondän, aber auch blöd klingt. Den habe ich immer geliebt, aber der ist geklaut aus einem seiner Stücke. Das Stück heißt “Track Ten”, kann ich nur empfehlen. Aber nur den Bass davon wollte ich haben und den konnte er mir nicht mehr rausfiltern aus seinen Tracks. Und er war so freundlich und hat mir den wieder ganz neu eingespielt. Ich mache auch wieder drei Stücke mit den Hamburgern “U 96”, diese Techno-Jünger. Deren Stücke sind auch etwas ganz Besonderes. Die haben mir ihre Basis-Tracks geschickt. Dann habe ich die weiterverarbeitet und was anderes daraus gemacht. Das “Magazine”-Album, das soll wie ein Printmagazin sein, wo man durchblättern kann und jede Seite hat eine andere Story.

Geht das denn in Zeiten von Streaming? Und ist es vielleicht sogar wichtig, dass man solche Konzeptalben, die wirklich von vorne bis hinten durchgehört werden sollen, produziert? Gerade in Zeiten von: Ich shuffle durch das Album und der Song, der mir gefällt, kommt auf meine Playlist? 

Wolfgang: Ich kann mich da leider wahrscheinlich gar nicht mehr dagegen wehren. Ich bin eigentlich auch total gegen Spotify. Die Künstler, die da jahrelang an ihren Stücken arbeiten, mit sehr viel Aufwand und Herzblut, die verdienen bei Spotify so gut wie nichts. Das hat mich entsetzt, als ich das gehört habe. Ich bin ein bisschen altmodisch gewesen. Mein Label in England, Cherry Red Records, die haben mir dann auch gesagt, du bist auch auf Spotify. Dann habe ich gehört, bevor das Album rauskam, konnten das schon alle einfach hören. Das hat mich ziemlich sauer gemacht und die zahlen so gut wie nichts dafür. Streaming ist okay auf iTunes. Da zahlen sie einem 90 Cent, 1,10 € oder das ganze Album. Das funktioniert gerade bei diesem Album gut, mit dem Konzept des Magazins: Da jede Story oder jede Seite oder jeder Song ein für sich abgeschlossenes Werk ist, kann man das auch herunterladen und anhören. Aber natürlich ist es immer schön, auch ganz klassisch sowas Haptisches zu haben. Ich habe wirklich gute Grafiker hier eingestellt, die das machen. Mit einem schönen Cover und einem Booklet, das die ganzen Geschichten erzählt. Wir haben sogar eine Illustrierte gedruckt, heißt auch “Magazine”. Das kann man wirklich durchlesen, 38 Seiten mit Geschichten rund um jeden Song, wie wir uns kennengelernt haben, wie die Stücke entstanden sind und auch ganz verrückte und gefährliche Dinge, die passiert sind. Ich habe auch über den Florian gesprochen, meinen früheren guten Kollegen von Kraftwerk. Dem war ich am nächsten, der leider viel zu früh verstorben ist – wie das passiert ist und wie mich das getroffen hat.

Folge 11: Günther Sigl, Musiker, Komponist und Sänger bei der Spider Murphy Gang

Vom Bankkaufmann zur Münchner Rocklegende: Mit 15 bekam Günther Sigl seine erste Gitarre – und hat sie seitdem nie mehr aus der Hand gelegt! Doch der Erfolg kam nicht über Nacht: Wie aus Hobby-Musikern die legendäre „Spider Murphy Gang“ wurde, erzählt Günther Sigl im Interview mit Joanna von „Munich – City Of Music“. Ein exklusiver Einblick in „Schickeria“, „Skandal“ und die Musikhochburg München!

Günther Sigl

Alexander Kaufmann, Gründer und Geschäftsführer JAMS Music Hotel Munich

Eine Vision, eine Leidenschaft, ein neues Zuhause für Musikfans aus aller Welt: Das “JAMS Music Hotel Munich” nahe der Isarauen in Haidhausen ist eine konzeptuelle Wundertüte für alle, die von Musik einfach nicht genug bekommen können.

Wie im Inneren einer Jukebox, begegnen einem im “JAMS” überall Vinyl-Platten, Plattenspieler und die Gesichter von legendären Stars wie Amy Winehouse, David Bowie oder The Notorious B.I.G – hier ist lautes Musikhören auf den Zimmern nicht nur eine Option, sondern ein Muss!

Die Idee für das “JAMS” hatte Hotelier Alexander Kaufmann. Aus einer Idee wurde im März 2019 dann Realität: Ein außergewöhnliches Hotel-Erlebnis auf sechs Stockwerken direkt am Gasteig.

Lieber Alex, ich bin gerade hier reingekommen durch die Lobby und das Erste, was mir natürlich aufgefallen ist, sind der Plattenspieler und die diversen Platten, die hier verfügbar sind. Wenn du es dir aussuchen könntest, welche Platte würdest du jetzt am liebsten direkt anschmeißen?

Alexander KaufmannAlex: Wir haben eine Auswahl von 400 bis 500 Platten, unter denen sich der Gast was aussuchen kann. Ich mir selber was aussuchen … ganz schwierig. Das kommt auf die Stimmung an. Da findet man immer irgendetwas Passendes. Und auf jedem Zimmer kann ich dann auch die Platte abspielen, weil jedes Zimmer verfügt über einen eigenen Plattenspieler.

Was waren deine ersten musikalischen Erfahrungen? Hast du selbst Musik gemacht? Oder was waren deine Lieblingsbands?

Alex: Leider bin ich, was ein Gerät spielen betrifft, völlig unbegabt. Singen würde schon eher gehen. Und dementsprechend war auch mein erster Star Elvis, den ich leidenschaftlich verfolgt hatte, ein großartiger Sänger. Da ist eine große Verbindung da. Ich habe schon als Kind mit fünf Jahren gerne die Bayern 3-Hitparade mit dem Kassettenrekorder aufgenommen, um mir die Songs hinterher wieder anhören und sie nachsingen zu können. So ging die Leidenschaft für Musik eigentlich los und es hat sich das ganze Leben lang durchgezogen.

Du hast es gerade schon angedeutet: Eine Besonderheit, die es hier im “JAMS” Hotel gibt, ist ja, dass es in jedem Zimmer einen Plattenspieler gibt. Es ist schließlich auch ein Musikhotel. Magst du das Konzept “JAMS” mal erklären?

Alex: Das “JAMS” ist ein Herzensprojekt von mir gewesen. Ich wollte ein Hotel entwickeln, designen und eröffnen, das einzigartig ist in seinem Konzept, das nicht mit dem Mainstream mitgeht, nicht Corporate ist. Ein Hotel, das Wiedererkennungswert hat, wo ich weiß, ich war im “JAMS”, das war ein besonderer Aufenthalt. Und Musik ist eben ein Thema, das alle berührt, das alle anspricht, wo man Emotionen wecken kann, wo wir Themen haben, mit denen wir mit den Gästen über die Musik sprechen. Es öffnet die Herzen der Leute und dadurch, dass wir neben dem Gasteig sind – in Europas größtem Musikzentrum – war die Verbindung schnell hergestellt, etwas mit Musik zu machen. 

Dann ist es einfach eine schöne Erfahrung, Platten in die Hand zu nehmen, aufzulegen und dann ertönt die Musik über die Lautsprecher. Das hat ein bisschen was Nostalgisches, was Schönes. Da war der erste Ansatz, wir verfolgen das mit der Musik und dann durchgehend auch im Design, in allem, was die Zeit betrifft – durch die 60er/70er-Jahre. Egal, ob es jetzt die Lampen sind im Aufgang, die Schallplatten nachempfunden sind, egal, was es ist: Man findet überall einen Anknüpfpunkt und so ziehen wir dieses Konzept von A bis Z durch.

Das “JAMS” ist also ein Hotel für Musikfans. Kann ich mir das dann so vorstellen, dass aus den Zimmern, je nach Stockwerk, mal die Beatles, Jim Morrison und AC/DC ertönen? 

Alex: Das kann passieren. Wir haben geguckt, dass die Zimmer einigermaßen gut isoliert sind. Also, gegenseitig hat man sich noch nicht übereinander beschwert. Aber natürlich, die Platten werden sehr viel ausgeliehen. Wir haben zusätzlich noch ein Musikgerät, das sich auch mit dem Telefon verbinden lässt. Dann haben wir jedes Stockwerk einem Künstler gewidmet. Ob das jetzt Freddie Mercury ist oder Whitney Houston: Da findet man Details, die einen mit diesem Künstler womöglich verbinden. Und dann kann es auch durchaus sein, dass sich die ein oder anderen inspiriert fühlen und sich von diesem Künstler eine Platte ausleihen.

Würdest du sagen, dass München 2023 eine Musikstadt ist?

Alex: Ja, auf jeden Fall. Es kommen ja verschiedene Konzerte in die Stadt, was schön ist. Zu diesen Konzertterminen merken wir auch bei uns, dass das Hotel sehr gut gebucht ist. Wir verfolgen natürlich die Musikszene. Wir liegen auch von der geografischen Lage hier sehr nah – ob das jetzt die Muffathalle ist, der Jazzclub Unterfahrt und so weiter. Und wir stehen mit allen in Verbindung und beherbergen teilweise die Künstler bei uns, teilweise die Manager oder Fans. Wir bekommen was mit und wir setzen stark darauf, dass diese Entwicklung auch wieder weitergeht, dass die Musik durch die Stadt geht.

Ihr seid aber nicht nur ein Hotel, sondern ihr möchtet auch immer mehr Events anbieten, also mehr Musik ins “JAMS” bringen. Was ist denn da so geplant?

Alex: Wir haben vor, in diesem Jahr einmal im Monat ein hochklassiges Event zu machen. Das erste Event ist jetzt am 29. April, ein Dinner-Abend mit Sinatra, bei dem wir einen Künstler hier haben, der bei uns auftreten wird. Wir werden eine entsprechende Essensbegleitung und Weinbegleitung dazu anbieten, das entsprechende Ambiente haben wir auch. Das werden wir einmal im Monat machen. 

Wir haben jeden Freitag einen Abend zum “Chillout der Woche”, bei dem es einen DJ gibt, der coole Beats auflegen wird. Dann kann es immer sein, dass spontan was dazu kommt, weil wir jetzt immer mehr von Künstlern angeschrieben oder kontaktiert werden, die gerne bei uns auftreten würden. Also da kann sich noch mehr daraus entwickeln.

Würdest du sagen, dass die Münchner Kulturszene noch Wachstumspotenzial hat? Oder wie stellst du dir die Zukunft für die Münchner Kulturszene vor?

Alex: Ich denke, dass diese Szene weiter Unterstützung braucht, Förderung braucht, dass sie sich entwickeln kann. Auch in den Pandemie-Zeiten haben wir hier die Räume zur Verfügung gestellt, damit Künstler auftreten können, damit sie sich entwickeln können. Ich glaube, da ist noch Luft nach oben. Wir tun unseren Teil dazu, wo wir können, damit es weitergeht.

Damit München wieder zur größten Musikstadt Deutschlands wird …

Alex: Schön wäre es! Sie hat Musikgeschichte geschrieben, diese Stadt. Und wir arbeiten auch mit dem einen oder anderen zusammen, wir wissen, dass es die schönen Touren gibt durch die Stadt, die auf Queens oder Freddie Mercurys Spuren gehen. Da gibt es einiges, was uns verbindet.

Was möchtest du uns noch mitgeben zum “JAMS”?

Alex: Dass alle herzlich willkommen sind bei uns. Wir wollen ein Hotel sein, das auch den Münchnern zur Verfügung steht, unser Restaurant und die Bar selbstverständlich. Es ist sehr spannend: Man trifft auf andere interessante Menschen aus verschiedenen Branchen. Es ist ein Schmelztiegel hier. Im Sommer haben wir zwei Terrassen, an denen man draußen sitzen kann, ein wunderschöner Ort für Begegnungen. Und da wünschen wir uns, dass die Münchner das auch wahrnehmen und uns besuchen.

Chris Aron, Musiker und Organisator der „Elvis Presley Tribute Show“

He ain’t nothing but a hound dog: Spätestens seit diesem Sommer ist der King of Rock’n’Roll wieder da – zumindest auf der großen Leinwand. Regisseur Baz Luhrmann hat mit seinem Spielfilm “Elvis” über das turbulente Leben des Elvis Presley viele Menschen wieder in den Bann eines Mannes gezogen, der auch lange nach seinem Tod als Musiklegende polarisiert. Aber was macht Elvis Presley bis heute so einzigartig? In seiner Musik und in seiner Person? Chris Aron beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Presleys Leben und organisiert als Musiker und Veranstalter regelmäßig seine eigene “Elvis Presley Tribute Show”.

Link zu Soundcloud

Lieber Chris, du bist ein sehr großer Elvis-Fan. Wann hast du denn zum ersten Mal gemerkt: Von Elvis kriege ich nicht genug, der ist etwas ganz Besonderes …

Chris: Ich denke, ich war so acht Jahre alt und habe von meinem Stiefvater Schallplatten gefunden, die ich aufgelegt habe. Da war “Elvis’ Golden Records” dabei und “Hound Dog” hat mich einfach weggehauen. Ich habe keine Ahnung gehabt, wer das ist, aber so zu der Zeit hat es angefangen.

Du bist Teil einer Elvis-Tribute-Band. Seit wann machst du das?

Chris: Angefangen haben wir im August 2004. Das war auch zu einem Elvis-Special. Da war auch Jacky Cleever damals dabei, der jetzt auch in unserer Show ist, als Showmaster und Musiker. Und damals war es schon so, dass ich die meisten Elvis-Imitatoren nicht so prickelnd fand. Meistens sind sie nur in diesem weißen Jumpsuit aufgetreten. Eine junge Elvis-Band, die diese 50er-Jahre und diesen jungen Elvis widerspiegelt, die gab es nicht. Und das war dann schon die Grundidee meiner Band. 

Elvis hat wahnsinnig viele Facetten gehabt, eine sehr vielschichtige Persönlichkeit sowohl auf der Bühne als auch hinter den Kulissen. Was fasziniert dich denn heute im Erwachsenenalter und nach vielen Jahren des Tribute-Leistens an Elvis?

Chris: Er war für mich immer ein Vorbild in seiner Höflichkeit und in seinem Benehmen. Natürlich hat jeder Mensch so seine Schwächen. Aber warum sollte man bei einem Künstler ständig überlegen: Was hat der alles falsch gemacht? Das finde ich müßig. Er war immer ein sehr höflicher Mensch und ein sehr hilfsbereiter Mensch, hat viel gespendet in seinem Leben. Und es war bei ihm wirklich so, dass die Fans im Vordergrund standen. Eigentlich war es er als Mensch, der mich am meisten bewegt hat.

The Elvis Presley Show PlakatAm 29. September findet im Deutschen Theater eure Elvis-Tribute-Show statt. Gibt es einen Elvis-Song, den du besonders gerne performst? 

Chris: Ja, durchaus. Es ist zwar kein originaler Elvis-Song – aber ein Song, der mir immer bleibt, ist “I Got A Woman”. Das Original ist von Ray Charles, aber ich finde die Elvis-Version wirklich Wahnsinn. In diesem Song ist alles drin, was den Rock’n’Roll ausmacht: Er ist schwarz, er ist weiß, es ist Country, im Original war es ja mal eine Gospelnummer mit einem anderen Text. Das ist so eine Nummer, die mir immer Spaß macht.

Stichwort Fan-Dasein: Ich glaube, dass Elvis mit zu einem der recht wenigen Künstler gehört, die wirklich extreme Fans hatten. Mit dieser Verherrlichung, fast schon ein Vergöttern. Woran liegt es, dass es ausgerechnet auch bei Elvis so war?

Chris: Ich denke, es liegt wirklich daran, dass man alles in ihn hineininterpretieren konnte. Er hat eine männliche Seite gehabt, er war auch irgendwie ein bisschen weiblich. Er war eigentlich der perfekte Künstler. Das war auch das, was ihn damals ausgemacht hat. Er war wirklich der Typ, der zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Man konnte alles aus ihm machen. Und er konnte auch alles singen, man hat ihm alles geglaubt. Man hat ihm Country geglaubt, man hat ihm Rock’n’Roll geglaubt und Gospel. Egal, was er gesungen hat, egal, was er angezogen hat, es hat ihm alles gestanden. Er war irgendwie die perfekte Person. Und das hat, glaube ich, auch zu dieser Verherrlichung geführt.

Was würdest du den Leuten empfehlen, die vielleicht nicht so viel über Elvis wissen? Warum lohnt es sich, zu dem Konzert zu kommen? 

Chris: Zu dieser Show sollte man kommen, weil sie einfach gut ist (lacht). Wir gehen ins Ende der 50er-Jahre zurück, als Elvis auf Tour war, mit anderen Künstlern zusammen. Die Idee hinter dieser Show war, den Leuten ein Konzert zu bieten, wie es damals auf der Amerika-Tour war. Also mit dem Vorprogramm, mit allem Drum und Dran. Eben nicht nur Elvis, weil Elvis war damals auch ein Teil von der Zeit und der Musik. Wir wollten eine komplette Show haben, die so einen Abend von damals widerspiegelt.

Ihr habt bei dieser Show auch einen Special Guest eingeladen. Erzähl mal, wer das ist und wie es dazu kam …

Chris: Der Special Guest ist kein Geringerer als Peter Kraus, der ja natürlich auch genauso zu den 50er-Jahren in Deutschland gehört wie Elvis in Amerika. Es war auch ein Wunsch von mir, mit ihm mal auf der Bühne zu stehen. Wir sind oft im Silbersaal im Deutschen Theater mit der Show und buchen da meistens einen Gast dazu. 2019 war das Linda Gail Lewis, die Schwester von Jerry Lee Lewis. Und diesmal haben wir bei Peter Kraus angefragt, ob er das machen will. Und es kam sofort eine Zusage. Darüber freuen wir uns natürlich. Er ist ja ein Riesenstar in Deutschland, der Rock’n’Roll-Star schlechthin. Und da sind wir natürlich schon mal ganz gespannt drauf.

The Last Bandoleros: Tex-Flex aus den USA erobert Bayern

Cowboy-Hut, eine Akustik-Gitarre und eingängige Texte, in denen alles besungen wird, was irgendwie mit “Home Sweet Home” zu tun hat: Wer Country-Musik aus den USA so beschreiben will, wäre mit diesen Klischees wohl ganz gut dabei.  

Weniger Klischees, aber dafür umso mehr frischen Wind, liefern Jerry Fuentes und die Brüder Diego und Emilio Navaira aus San Antonio (Texas, USA). Als “The Last Bandoleros” – übersetzt “Die letzten Gesetzlosen” – machen sie ihrem Namen alle Ehre und verbinden ihren Heimatsound mit vielen modernen Rock-Pop-Elemente, die auch bei uns in Deutschland für viele Fans sorgen. Während ihres Tour-Stops in Berlin, sprechen sie mit Munich – City Of Music darüber, wie es ist, mit Musiklegenden die Bühne zu teilen, und warum Konzerte wichtiger sind denn je.

Soundcloud Last Bandoleros

Ihr wart von Juni bis Ende August mit “The Boss Hoss” auf Tour. Ich weiß noch, als Boss Hoss seine ersten Erfolge in Deutschland gefeiert hat, war das ziemlich besonders: Eine deutsche Band, die US-Country-Musik macht und damit die Charts stürmt. Warum glaubt ihr, dass Country auch in Deutschland so beliebt ist? 

Jerry: Letztendlich hat Country auch in “Schlager” seine Wurzeln. Wir haben zum Beispiel einen Tejano-Einfluss. Man hört etwas Polka, etwas deutschen Einfluss. Es gibt viel Akkordeon in der Musik aus Südtexas. Es würde also Sinn machen, dass sich Texas Country mit deutschen Traditionen überschneidet und hier gut ankommt. Ich glaube, die Leute erkennen darin etwas Vertrautes wieder.

Die Mischung aus unterschiedlichen musikalischen Einflüssen ist ein gutes Stichwort: Ihr selbst habt in der Vergangenheit euren Musikstil als “Tex-Flex” beschrieben. Euer neues Album heißt ebenfalls “Tex-Flex”. Ich habe von “Tex-Mex” gehört, was genau bedeutet “Tex-Flex”? 

Diego: Auf diesem Album haben wir unsere südtexanische Kultur viel mehr einbezogen. Wir haben sehr früh als Musiker angefangen, haben in der Innenstadt auf den Märkten gespielt und so unsere Gigs gehabt. Und um einen Auftritt in Texas zu bekommen, musst du lernen, wie man Tejano-Musik spielt, du musst lernen, wie man Blues spielt, wie man Country, Pop und Rock spielt. In San Antonio, wo wir geboren und aufgewachsen sind, spielt man also schon in sehr jungen Jahren all diese Arten von Musik. Wenn uns also Leute fragen, welchem Genre wir angehören, wissen wir es nicht wirklich, weil wir damit aufgewachsen sind. Und wir haben einfach alles in unsere Musik gesteckt.

The Last Bandoleros
Foto: Tedesco

Ihr standet schon mit ziemlich vielen Legenden auf der Bühne: Sting, The Mavericks, Robert Plant von Led Zeppelin. Für Musiker, wie euch, muss das ja ziemlich aufregend gewesen sein, schließlich seid ihr mit der Musik dieser Menschen aufgewachsen. Worüber habt ihr da so hinter den Kulissen mit ihnen gesprochen? 

Emilio: Wir haben besonders viel Zeit mit Sting verbracht. Und manchmal ist es so einfach wie „Was hast du heute zum Frühstück gegessen?“. Aber die Sache ist, dass solche Leute, die seit Jahrzehnten so erfolgreich sind und Millionen von Musikern, einschließlich uns, beeinflusst haben, nicht ohne Grund so erfolgreich sind. Es ist ihre Arbeitsmoral, wie sie ihr Leben leben, es ist die Art und Weise, wie sie, wenn etwas schiefgeht, es einfach abprallen lassen und zur nächsten Sache übergehen. Sowas kann man von niemandem lernen, der nicht so erfolgreich ist. Es ist wirklich interessant und besonders anzusehen.

Emilio und Diego: Ihr seid ja Brüder. Habt ihr schon immer gerne zusammen gespielt oder hat erstmal jeder sein Ding gemacht? 

Emilio: Wir haben immer zusammen gespielt. Als Schlagzeuger war das super, ich musste nie wirklich alleine spielen. Ich denke, das ist das Langweiligste auf der Welt, sich hinzusetzen und alleine Schlagzeug zu spielen. Ich hatte also das Glück, dass ich immer meinen Bruder hatte, der mit mir Gitarre, Klavier oder Bass gespielt hat. Also verdanke ich größtenteils Diego meine Liebe zur Musik, denn sonst müsste ich alleine trommeln.

Diego: Wir haben das große Glück, die gleiche Leidenschaft und den gleichen Wunsch zu haben, nämlich Musik als Karriere zu verfolgen. Wo wir auch sind, es ist immer ein Familienmitglied in der Nähe und auch auf der Bühne macht es richtig Spaß. Ich habe das Gefühl, was auch immer er spielt, ich weiß direkt, was er tun wird. Das läuft alles ganz natürlich, einfach weil wir das schon so lange zusammen machen. Ich würde es nie anders haben wollen, als wie es jetzt ist. Mit meinem Bruder Musik zu machen ist das Beste.

Nun zum ungemütlichen, aber sehr wichtigen Thema: Pandemie. In den letzten Jahren haben leider viele Menschen aus der Musikindustrie extrem gelitten. Manche haben sogar komplett ihren Job verloren. Haltet ihr persönlich es für wichtig, diejenigen, die in der Musikindustrie arbeiten, zu unterstützen?  

Jerry: Ich denke, wenn Regierungen, Länder und Organisationen aufhören, Kunst zu unterstützen, kann das langfristig nicht gut gehen. Sie müssen Kunst am Leben erhalten, Kunst verbessert das Leben. Ich bin froh, dass Kultur jetzt wieder möglich ist, und ich bin froh, dass wir abgesichert genug waren, um wieder reinzukommen. Aber es ist bedauerlich, dass nicht jeder in der Lage ist, sich so schnell oder so leicht zu erholen.

Was können Musik-Fans eurer Meinung nach tun, um die Kunst am Leben zu erhalten? 

Emilio: Geht zu Shows, kauft Platten, kauft Merchandise, helft euren Lieblingsbands. Aber auch darüber hinaus: Wir haben bei dieser Tour viel Zeit in Berlin verbracht und unser Tourmanager, der in Berlin lebt, ist durch die Stadt gefahren und meinte „Oh, das war mal dieser Club, der war cool, aber er ist weg”. Wenn ihr also eine Location liebt, die ihr nach der Pandemie vielleicht noch nicht besucht habt, schaut euch dort ein paar Bands an, lasst bisschen Geld für ein Bier da und haltet diese Veranstaltungsorte auch in Betrieb. Denn wenn wir keine Locations haben, in denen wir spielen können, können wir auch nicht spielen.

Thomas Linsmayer, Geschäftsführer des Deutschen Theaters

Thomas Linsmayer vom Deutschen Theater München

Thomas Linsmayer lebt und liebt seit 25 Jahren die Musik. Seit Februar 2022 leitet er das Deutsche Theater in München. Schon seit vielen Jahren organisiert er Ausstellungen in unterschiedlichen Kultureinrichtungen in München, unter anderem für die Pasinger Fabrik. Munich – City Of Music spricht mit ihm über ein Kooperationsprojekt – eine Konzertreihe im Sommer 2022 – und die weiteren musikalischen Pläne des Deutschen Theaters.

Folge 5: Rudi Dolezal, Regisseur und (Musik-)Filmemacher

Rudi Dolezal im Interview

In seiner Heimat Österreich wird er “Rock-Professor” genannt und das zurecht: Rudi Dolezal ist Regisseur und Filmproduzent. Doch in erster Linie ist er seit fast vier Jahrzehnten ein absoluter Musik-Fan. Von Michael Jackson über Frank Zappa, den Rolling Stones, Bruce Springsteen und Queen: Unzählige Rockstars hat Dolezal im Laufe seiner Karriere getroffen – und diese Erlebnisse bleiben auch nach vielen Jahren für ihn unvergessen.

Du hattest schon ganz viele Prominente vor einer Kamera und wahrscheinlich auch sehr besondere Momente mit ihnen. Was verbindet dich denn mit Queen?

Jahrzehnte Freundschaft, 32 Videos, wo ich Regie gemacht habe, ziemlich viele Dokumentationen und Live-Konzerte. Sagen wir mal so: Ich war nie ein Queen-Fan. Meine Band waren die Rolling Stones. Trotzdem habe ich ganz früh in meiner Tätigkeit als Fernsehjournalist ein Angebot angenommen, einen gewissen Freddie Mercury in München zu interviewen. Auch den Brian May am gleichen Tag. Und das sollte mein Leben ändern.

Gibt es denn einen Moment, den du mit sei es Freddie Mercury oder auch Brian May hattest, wo du sagst: Da bin ich zum Queen-Fan geworden?

Nach 32 Queen-Videos kam das letzte. Das letzte Mal, dass Freddie vor einer Kamera stand. Die Art und Weise, wie er bereits als so schwer kranker Mensch – und ich war als Inner Circle früher als viele andere eingeweiht, was ist war – nicht zur Last fallen wollte, nicht wollte, dass das Team auf ihn wartet, obwohl er schon sehr schwer gehen konnte, wie er da immer noch alles aus sich herausgeholt hat. Ich hatte zu dem Zeitpunkt sowohl den Performer Freddie Mercury sehr geschätzt, aber gleichzeitig auch das scheue Reh Freddie Mercury. Es gibt einen Schuss von mir, wo er vom Wembley-Stadion runtergeht, und der Joe Fanelli (Mercurys Ex-Partner) ihm den Bademantel gibt und grad vorher war noch “God Save the Queen”. Und dann siehst du, er geht da ein und wird symbolisch zwei Meter kleiner. Aber dann halt wieder der private Freddie, der ausgelassene Freddie: Wenn er in seinem Inner Circle war, war der ein lustiger, wilder Hund. Das hab ich alles schon bewundert – und dann kam dazu der Mensch. Ich bin mit dem Wort “Freundschaft” sehr vorsichtig. Ich habe mit sehr vielen Leuten das Privileg gehabt zu arbeiten. Ich würde im ganzen Rockgeschäft eine Handvoll Leute meine Freunde nennen. Bei Freddie kam die Freundschaft spät. Und die war dann darin begründet, dass, wenn ich in London war, er gesagt hat: “Komm doch einfach vorbei, wenn du das bist”. Dann sind wir oft Nachmittags nur da gesessen und haben Ferngesehen. Dann beginnt das, was ich Freundschaft nenne. Und dann habe ich auch gegenseitige Unterstützung in Dingen, die nichts mit dem Job zu tun haben – wenn er den Job Rockstar hat und ich den Job Regisseur. Wie als das mit dem “Mercury Phoenix Trust” mit der Aids-Awareness begann, wo ich involviert war. Freddie hat sehr spät – einen Tag vor seinem Tod, um genau zu sein – offiziell bekanntgegeben, dass er HIV-positiv ist. Aber die Gründungsphase des “Mercury Phoenix Trust”, also einer Stiftung, die sich für die Forschung des HI-Virus einsetzt, Betroffenen hilft, etc., die begann schon viel früher. Für mich ist Freddie Mercury einer meiner Mentoren. Der erste Mentor war Frank Zappa. Der hat mir gezeigt, was Rock’n’Roll-Filmmaking ist, indem er mich einmal übers Knie von seinem Bodyguard gelegt hat für eine schlechte Frage. Und ich habe das weiter filmen lassen von zwei Kameras und gesagt: Das ist Rock’n’Roll-Filmmaking, nicht nur Interviews machen und dann ein bisschen Musik filmen. Was mir Freddie beigebracht hat war: Never try to be second-best. Er hat einmal erklärt, dass er das von Elton John hat. Er hat gesagt: Für jede Stufe des Erfolges, die du hinauf gehst, muss dir bewusst sein, dass du etwas, was du sehr lieb hast, unten lassen musst. Du wirst Freunde verlieren. Du wirst Verständnis verlieren. Du wirst Sympathie verlieren. Du wirst Privatleben verlieren, alles Mögliche. Und ich habe mir gedacht: Was sagt der mir das? Aber in Zeiten von Social-Media, von wohlwollend bis Shitstorms, kann ich das nachvollziehen, obwohl ich mich nie mit irgendwelchen Menschen verglichen habe, die vor meinen Kameras waren. Ich bin der Filmemacher, die Legenden waren vor meiner Kamera. Bis heute brenne ich für die Musik, für die Ideen, für die Poesie. Ob es der Gitarrenriff von Keith Richards ist oder ob es die Bilder von David Bowie sind, der gemalt hat, die, wenn er nicht David Bowie gewesen wäre, auch alleine ihre Wertigkeit gefunden hätten. Das sind die Dinge, die mich aufregen, erregen…

Was bedeutet München für dich als Musikstadt?

München war für mich das erste Ausland. Ich bin aus Wien oft hierher gekommen und habe Bands zuerst angeschaut, später dann gefilmt, die nicht nach Wien kamen. Dann sind wir nach München und da habe ich Roxy Music gedreht, Barclay James Harvest, die ganzen großen Rock-Bands, die interessant waren für eine Jugendsendung, die hieß damals “Ohne Maulkorb” und lief im ORF. In München hatte ich sehr viele Erlebnisse: Im Sugar Shack, Hallucination Company hat hier gespielt, Falco hat hier Anfänge gehabt, außerhalb Österreichs. Mit München verbinde ich einerseits das, dann Schnösel und dazwischen immer wieder interessante Leute. Prinzipiell habe ich eine positive Einstellung zum München.

Es gibt momentan eine Kampagne, Freddie Mercury ein Denkmal hier in München zu setzen. Was hältst du davon?

Ich war jetzt eine Woche in Montreux, rund um die (Freddie Mercury-)Statue. Damals habe ich die Künstlerin gefilmt, wie sie geknetet hat und ein kleines Modell gemacht hat. Wenn man sieht, was das für ein Punkt ist, für Tourismus, für Freddie Mercury- und Queen-Verehrung oder auch Gedenken, dann finde ich, ist es längst an der Zeit, dass München ein Denkmal macht, weil in München war Freddie viel mehr als in Montreux. In Montreux hatte er tolle letzte Momente, immer wieder Ruhe und natürlich das Mountain Studio, aber hier in München hat er Jahre verbracht, und zwar nicht nur im Studio, sondern hat privat auch Videos gedreht. Es wurde kein einziges Video in Montreux gedreht. Das heißt, ich persönlich unterstütze das. Ich werde mich sogar mit in die erste Reihe stellen, wenn man mich braucht. Ich finde, München braucht eher heute als morgen ein Freddie Mercury-Denkmal. 

Folge 4: Marion Schöne, Geschäftsführerin der Olympiapark GmbH

Sie hat den Überblick über eine der geschichtsträchtigsten Sport- und Kulturstätten Münchens: Seit 2017 ist Marion Schöne Geschäftsführerin der Olympiapark GmbH und das mit ganzem Herzen. Ihre Leidenschaft für Musik, Events und die Stadt München treibt Sie täglich an, den Olympiapark an neue kulturelle Trends anzupassen, ohne dabei seine 50-jährige Geschichte als Tourismus-Hotspot aus den Augen zu verlieren.

Fangen wir mal ganz unverfänglich an, stellen Sie sich doch bitte mal kurz vor… 

Mein Name ist Marion Schöne. Ich bin die Geschäftsführerin der Olympiapark München GmbH seit 2017. Und ich kann nur sagen, ich habe hier eigentlich meinen Traumjob gefunden. 

Warum?

Weil es eine wahnsinnig vielfältige Aufgabe ist und es gibt eigentlich keinen Tag, an dem es zur Routine wird – was man sich manchmal natürlich auch wünschen würde (lacht). Weil man mit unglaublich vielen unterschiedlichen Menschen zusammenkommt und weil wir durch unsere zwei großen Bereiche „Sport“ und „Musik“ auch zwei tolle Themen abdecken. 

Was ist denn Ihre erste Erinnerung an den Olympiapark? 

Die erste Erinnerung an den Olympiapark ist tatsächlich medial. 1972, da war ich zehn Jahre alt, und in unserer Familie wurde immer sehr viel Sport geguckt. Natürlich habe ich die Olympischen Spiele vor dem Fernseher verfolgt. Das sind so meine ersten Erinnerungen an den Park. 

Was macht denn Ihrer Meinung nach den Olympiapark so einzigartig? 

Er ist eine der am besten nachgenutzten olympischen Stätten. Wir bieten hier eine große Vielfalt an Events, viele Konzerte, viele Shows, aber auch Sportveranstaltungen. Jeder, der München besucht, geht natürlich auch in den Olympiapark, schaut sich den an wegen seiner einzigartigen Architektur. Ich war letztens wieder mit einer Gruppe auf dem Olympiaturm und selbst mir geht dann immer wieder das Herz auf, wenn man von oben diese tolle Struktur sieht. Man sieht diese wunderbaren, geschlungenen Wegeführungen. Es gibt auch immer mehr kleine Ecken, die nicht so überlaufen sind. Und dann unsere schönen Veranstaltungsstätten, die alle durch das wunderbare Zeltdach miteinander verbunden sind. Es ist einfach etwas ganz Besonderes. 

Der Olympiapark lebt von Sport und Musik. Was bedeutet Ihnen denn persönlich Musik? 

Wenn man sich erinnert an die Jugendzeit, an die Teenie-Zeit mit Liebeskummer – was hat man da gemacht? Man hat sich wirklich vor sein, damals noch Kassettenrekorder gesetzt und hat sich irgendwelche Songs reingezogen, wo man dann noch mehr heulen musste. Danach ging es einem dann auch wieder besser. Es gibt eigentlich kaum ein Genre der Musik, das ich nicht mag. Ich denke mir oft, wenn ich Musik höre: Man muss das viel öfter hören. Es müsste einen fast den ganzen Tag begleiten.

Sie haben mit Ihrem eigenen Musikgeschmack schon abgebildet, wie vielfältig auch die Münchner Musikszene ist. Gibt es dann ein spezielles musikalisches Ereignis, das Sie hier in München erlebt haben, an das Sie sich besonders erinnern können?

Für mich war besonders prägend das Ed Sheeran-Konzert 2018. Einfach wegen dieser unglaublichen Stimmung, weil das das Schöne im Olympiastadion ist: Wenn man da drin sitzt und man hat eine Sommernacht, dann hat man vielleicht sogar noch Vollmond und guckt auf dem Berg und man sieht, da sind Tausende von Menschen, die eben keine Tickets bekommen haben. Es sind richtiges Happening um das Stadion herum und ist eine tolle Atmosphäre.

Ohne die Olympischen Spiele 1972 würde es das Ganze hier nicht geben. 2022, 50-jähriges Jubiläum der Spiele: Was ist alles geplant für dieses Jahr? 

Da ist sehr viel geplant und wir hoffen vor allem, dass wir es alles durchführen können. In unserer Ausstellung auf dem Olympiaturm geht es um die Zukunft von Events. Unser Motto heißt „1972, 2022, 2072 – Wie sieht der Olympiapark in 50 Jahren aus?“. Dann werden wir einen tollen Jubiläums-Pavillon haben, der im See schwimmt. Das ist die zentrale Anlaufstelle für das gesamte Jubiläum. Dort wird das ganze Programm vorgestellt werden, nicht nur das im Olympiapark. In der Stadt gibt es auch noch über Hundert Veranstaltungen zu diesem Thema. Gleichzeitig wird dort die Geschichte des Sports dargestellt werden. Er ist auch während der „European Championships“ Anlaufstelle und soll auch ein Treffpunkt und Begegnungsort werden. Der Pavillon ist im Design von 1972 und auch nach alten Baumustern gebaut und wird etwa ein halbes Jahr stehen.

Was ist musikalisch im Olympiapark geplant 2022?

In der Olympiahalle, nur um ein paar zu nennen, kommen Hans Zimmer Live, Dua Lipa, Zucchero, Eric Clapton, Gianna Nannini, Herbert Grönemeyer, die Scorpions, Simply Red, David Garrett, Udo Lindenberg, Brian Adams, Queen and Adam Lambert. Für mich ein Highlight: Alicia Keys. Am Ende des Jahres hoffen wir alle hier im Park, dass unser „Night of the Proms“ wieder stattfindet, auch wenn es dann diesmal das erste Mal ohne den geliebten John Miles (Anmerkung der Redaktion: leider verstorben) sein wird. Dazu kommen im Olympiastadion Open-Air-Konzerte, die Toten Hosen, die Ärzte, Guns’N‘Roses und wieder Ed Sheeran. Und natürlich hoffen wir, dass wir im Jubiläumsjahr unsere beiden Eigenveranstaltungen wieder unterbringen: Unser „MASH“ und den „Sommernachtstraum“. Ich glaube, da werden sich alle schon sehr darauf freuen. Nachdem zwei Jahre lang kein richtiges Feuerwerk möglich war, gibt es dann hoffentlich einen richtigen Kracher.

Im Olympiaturm wird es dann den Zukunftsausblick geben, was man sich erhofft von der Eventszene hier in München für die nächsten 50 Jahre. Was würden Sie persönlich sich wünschen für die Münchner Musik- und Kulturszene?

Ich würde mir vor allem wünschen, dass sie so vielfältig bleibt, wie sie vor Corona war. Sie hat jetzt stark an Vielfalt verloren. Außerdem glaube ich, dass Musikfans diese Bandbreite nutzen sollten. Dass man einfach auch mal schaut: Ich gehe zu einem Open-Air-Konzert hier im Olympiastadion, aber was läuft denn noch in den Clubs, in den kleineren Locations? Wie kann ich vielleicht eine Band kennenlernen, die ich noch nicht so gut kenne? Wie kann ich das auch unterstützen, indem ich da hingehe und Tickets kaufe? Musik ist immer ein Erlebnis, das man gerne mit anderen teilt. Und je mehr Menschen da sind, die die gleichen Emotionen haben, desto toller ist das Musikerlebnis. 

„Munich – City Of Music“ ist eine Plattform, die sowohl für Kultursuchende als auch für Kulturschaffende ein Angebot darstellen soll, um sich zu informieren, was gerade in München passiert, aber auch, um sich selber zu präsentieren. Was halten Sie denn davon?

Ich habe auf die Seite schon geguckt und fand es ganz toll, weil ich persönlich finde: Es ist immer schön, wenn man zu einem Thema wirklich alle Informationen findet. Das Schöne ist, dass man München auch präsentiert als Musikstadt; dass München eben auch andere Seiten hat, nicht nur FC Bayern und das Oktoberfest. Und natürlich ist es sicherlich auch schön, wenn sich dann auch Bands, also vor allem auch lokale Bands, hier präsentieren können und man sich sucht und findet.

Folge 3: DJ Ötzi (Gerry Friedle)

Er ist der Gerry aus Tirol, der Mann mit der weißen Mütze und dem charmanten Dialekt: Gerhard Friedle, besser bekannt als DJ Ötzi, begeistert seit 1999 Fans auf der ganzen Welt. Seine Single „Hey Baby“ schaffte es nicht nur im deutschsprachigen Raum an die Spitze der Charts, sondern unter anderem auch in England, Schottland, Südafrika und Australien. Sein Bezug zu München und Münchens Bezug zu ihm ist aber eine einmalige Liebesbeziehung: Eine Wiesn ohne seine Hits ist unvorstellbar. Einer der Gründe, warum der Mann mit den Tausenden Fans selber großer Fan der bayerischen Landeshauptstadt ist. 

Was bedeutet dir persönlich Musik?

Musik ist lebensnotwendig, ohne Musik ist wie ohne Liebe, ohne Luft, ohne Wasser. Das gehört bei mir zu meinem Leben dazu. 

Also ohne Musik wäre dein Leben in eine ganz andere Richtung verlaufen? 

Das ist richtig, aber ich glaube, das wäre es bei vielen anderen auch. Mit Musik verbindet man Emotionen, Liebe, Trennung, Trauer, glücklich sein. Bei mir war es auch eine Geschichte mit Janis Joplin. Ohne Janis Joplin würde es DJ Ötzi nicht geben. Jetzt kann man Janis Joplin verfluchen oder nicht, aber ich habe sie großartig gefunden und finde sie bis heute großartig. „Me And Bobby McGee“ – was ja lustigerweise ursprünglich von Kris Kristofferson ist. Also: Ohne Janis Joplin würde es mich so nicht geben. 

Gibt es eine Lebensweisheit, die dich immer geleitet hat? 

Es lohnt sich, an sich zu arbeiten. Es lohnt sich, an sich zu glauben, und es lohnt sich, es durchzuziehen. Auch, wenn man in einer Situation ist, wo man nicht mehr rauskommt, weiterentwickeln und an sich arbeiten. 

Folge 2: Herbert „Herbi“ Hauke, Ex-Rockmuseumsdirektor

Herbert „Herbi“ Hauke ist nicht nur ein leidenschaftlicher Sammler, wenn es um Artefakte der Rock- und Pop-Geschichte geht, sondern war auch Direktor des höchsten Rockmuseums der Welt, auf 191 Metern im Münchner Olympiaturm. Einen Teil seiner privaten Sammlung – der wohl größten Privatsammlung Europas – dürfen Musikfans vom 17. März bis Ende Juni 2022 in der Pasinger Fabrik bewundern. 

“Queen – A Bohemian Rhapsody”: Deine große Queen-Ausstellung steht in den Startlöchern, am 17. März 2022 geht es los. Was verbindet dich mit Queen?

Ich hatte das Privileg, 1974 Freddie Mercury persönlich kennenzulernen, bei seinem Auftritt im Theater an der Brienner Straße – das heißt heute Münchner Volkstheater (Anmerkung der Redaktion: inzwischen umgezogen). Auf alle Fälle eine sehr, sehr kleine Location. Keiner kannte Queen und der Fotograf Didi Zill hat mich hinter die Bühne mitgenommen, weil da eine kleine Pressekonferenz war. Ich stand ein bisschen rum nach der Show und er hat gesagt: “Da sind relativ wenig Leute, da kannst du mitkommen und dich bisschen mit Queen unterhalten”. Ich muss ehrlich sagen, ich hatte damals gar keine Ahnung, wer das ist. Aber ich hatte ein sehr nettes Gespräch mit Freddie Mercury und es gab dann ein sehr gutes Buffet, was für einen 19-Jährigen immer interessant ist. 

1974 sah die Welt für Queen noch ganz anders aus. Heutzutage sind sie ein weltweites Phänomen, mit einer der erfolgreichsten Rockbands überhaupt. München war als Stadt auch extrem prägend für Queen. Warum?

Alle Rockmusiker kamen immer gern nach München und es war immer die gleiche Begründung: “Herbert, it’s about the Munich beer and the Munich girls”. Hier kam dann dazu, dass die Musicland-Studios mit dem Produzenten Reinhold Mack für die damalige Zeit einfach der Nabel der Musikwelt waren. Die haben hier unheimlich gerne produziert, die Superstars. Das zweite war dieses Münchner Lebensgefühl. Freddie Mercury konnte hier unerkannt seinen persönlichen Neigungen nachgehen, im damals schon sehr modernen Glockenbachviertel, wo man sehr tolerant war und eine gewisse Szene angesiedelt war. Es gibt diesen wunderschönen Spruch von Freddie: “Munich was a place where I could actually walk the streets”, also “in München konnte ich mich völlig unbehelligt bewegen”. Somit hat er hier sechs Jahre verbracht, viele Liebschaften gehabt, aber auch unglaubliche Dinger hier produziert. Sehr schön finde ich diese wunderbare Geschichte, dass in der Badewanne des Hotel Hilton der Song “Crazy Little Thing Called Love” entstanden ist.

Stichwort Glockenbachviertel: Man kann ja heutzutage immer noch sehr viele dieser Orte sehen, die Freddie Mercury auch besucht hat. Oder?

Ja, es ist natürlich eine andere Szene. Andererseits gibt es noch so Orte wie zum Beispiel das Henderson (heute Paradiso Tanzbar), wo seine berühmte Geburtstagsparty war mit dem Song “Living On My Own”, der heute noch ein Riesenhit im Internet ist. Es ist dort auch immer noch das wunderbare, sehr kosmopolitische Lokal Deutsche Eiche mit Dietmar Holzapfel. Man kann dort also schon noch auf seinen Spuren wandern. Er hatte dort früher auch Eigentum. Er war dort mit Barbara Valentin zusammen. Man kann also erstaunlicherweise noch sehr, sehr viel über ihn oder die Erinnerungen an ihn finden. Das Schöne ist auch, dass die Firma MucTours – in Kooperation mit mir – Touren anbietet auf den Spuren von Freddie Mercury, wo wir den Leuten das Glockenbachviertel bisschen näher bringen, viel auf den historischen Spuren von Freddie Mercury wandeln, sehr viele Anekdoten zu erzählen haben und ihn nochmal in seinen Münchner Jahren zum Leben bringen.

Sehr viele Anekdoten und sehr viele ganz besondere Ausstellungsstücke wird es ab dem 17. März dann auch in der Pasinger Fabrik geben. Was ist denn dein persönliches Highlight der Ausstellung? 

Ich denke, das Highlight der Ausstellung ist tatsächlich jetzt erst vor zwei Wochen reingekommen. Jemand, der jetzt in Bonn wohnt, hat mir Bilder geschenkt, wie er in München mehr oder weniger Queen belagert hatte, als sie im Musicland Studio produzierten. Die Fans haben es geschafft, denen sehr nahe zu kommen. Und es gibt ein Foto, da haben die knallhart Freddie Mercury mit einer kleinen Kamera aus einem Meter Entfernung ins Gesicht geblitzt. Das Foto sieht aus, wie wenn man ein Reh in der Nacht auf der Lichtung erwischt.
Man sieht, wie Queen sich hier im Musicland Studio bewegt haben. Es sind auch wirklich sehr seltene, interessante Aufnahmen dabei und ein herrlicher Bericht dieser Fans, wie sie eben ihren Idolen damals näher gekommen sind. So etwas ist eine sehr schöne Geschichte, denn wir haben einen großen Schwerpunkt über München in der Ausstellung, aber so etwas, so eine “First Hand Experience”, ist natürlich wirklich faszinierend.

Für Queen-Fans ist die Ausstellung sowieso ein Must See hier in München. Warum ist es denn auch etwas für Musikfans allgemein?

Es ist uns eine sehr interessante Ausstellungsgestaltung gelungen, die auch ein bisschen verrückte Kunst drin hat. Denn es war so, dass Queen immer den Anspruch hatte – oder insbesondere Freddie Mercury: Man darf im Leben alles machen, aber es darf nie langweilig sein. Never Boring.
Wir haben eine Doppelausstellung. Wir bieten zusätzlich die Ausstellung 50 Jahre “Smoke On The Water” an, über Deep Purple – als dieser Hotelbrand, über den wir eine Dokumentation haben, letztendlich die Grundlage eines bis heute unsterblichen Songs gebildet hat.
Bei der Queen-Ausstellung ist es so, dass wir nicht nur auf München eingehen, sondern ich versuche auch die Verbindung herzustellen: Wo hat Queen eigentlich seine Ideen her? Unter anderem von einem Stummfilm 1926 namens “Metropolis” von Fritz Lang. In diesem Film ging es darum, dass Roboter eines Tages die Welt beherrschen, und es ist dann die Liebe zwischen einem Roboter und einem Menschen, der diese beiden Pole wieder verbindet. Es ist doch sehr überraschend zu sehen, wie ein 1926 aufgenommenes Thema heute sehr aktuell ist.
Wir werden einen kleinen Verabschiedungsraum haben, wo Fans ihre Nachricht für Freddie hinterlassen können. Es gibt zwei Videoproduktionen, die man sich anschauen kann, während der ganzen Ausstellung. Und parallel dazu gibt es Kinoabende, eine fantastische Live-Band, die da spielt, und eine Lesung mit dem Autor Nicola Bardola, der das Buch geschrieben hat über Freddie Mercury in München. Wir haben ein recht buntes Rahmenprogramm, das doch einigen Leuten Spaß machen wird.

Sissi Perlinger ist ein menschgewordenes Gesamtkunstwerk. Sie lebt für ihr Publikum und für ihre Kunst. Dazu zählen Gesang, Tanz, Schauspielerei und Kabarett. Sie ist Weltenbummlerin und wurde durch Aufenthalte unter anderem in Paris, New York und Los Angeles über die Jahre zur Vollblut-Entertainerin. Ihre Liebe zur Stadt München begleitet sie bis heute. Was diese Stadt für sie so einzigartig macht und was sie sich für die Zukunft der Münchner Kulturszene wünscht, verrät sie in der ersten Folge von MCOMs „Unerhört“.

Ist München für dich eine Musikstadt?

Ich würde sagen, früher war München wirklich eine ganz weltberühmte Musikstadt – wie viele große Rockbands hier waren, aufgenommen haben, was hier für Konzerte stattgefunden haben. Wir haben das große „Tollwood“-Festival, wo große Bands kommen und kamen. Das Schöne und Bezaubernde an München ist, dass es relativ überschaubar ist. Es ist eine kleine Stadt. Es ist nicht wie in Berlin oder gar in LA, dass wenn du an der südlichen Ecke bist und du würdest gern im Norden etwas sehen, du es fast vergessen kannst, weil es eine Weltreise ist. München ist eigentlich eine sehr einladende, nette, kleine Puppenstadt mit doch noch erheblichem Musikangebot.

Du bist in München aufgewachsen: Wie hat dich die Stadt als Künstlerin geprägt?

Sissi PerlingerIch habe in den frühen 80er-Jahren angefangen und muss sagen, da waren die Türen wirklich offen. Da konnte man die skurrilsten Dinge machen und alle waren begeistert. Ich habe wirklich teilweise jeden Abend irgendwo gespielt; in einer Disco oder auf einer Geburtstagsfeier oder auf den Kleinkunstbühnen. Dann gab es Mischprogramme, da konnte man eine Viertelstunde auftreten. Marianne Sägebrecht hat hier unglaublich viel angekickt und die ganze, sehr zerstreute, bunte Szene aus bunten Leuten zusammengebracht. Durch sie habe ich auch ganz viele Auftritte bekommen. In dem Moment, in dem ich gesagt habe „So, jetzt lebe ich da davon“, hat es wirklich auch so hingehauen. Und dann ging es eigentlich immer bergauf. Also ganz spielerisch.

Du bist Schauspielerin, Autorin, Musikerin und Kabarettistin: Was davon machst du besonders gerne?

Besonders gerne mache ich das, wo ich mich immer weiterentwickele. Ich wollte ursprünglich Tänzerin werden, meine ersten Shows waren sehr tanzlastig. Dann war ich in einer Band, habe ganz viel gesungen. Dann habe ich immer mehr Songs gemacht. Dann habe ich plötzlich kapiert, dass es ganz wichtig ist, dass die Leute auch eine Geschichte kriegen und lachen können. Und dann haben sie mich als Schauspielerin engagiert. Dann habe ich gedacht, dass es in der Schauspielerei ganz entscheidend ist, dass du die Dinge auch wirklich glaubwürdig rüberbringen kannst. Jetzt mag ich eigentlich am allerliebsten, dass ich das alles gemeinsam in einen zweistündigen Abend reinpacken kann, wo man sich keine Sekunde lang langweilt, und einem begeisterten Publikum hinknallen kann. Das finde ich am Schönsten an meinem Job.

Welcher Tipp, den du bekommen hast, hat dich deine Karriere über begleitet?

Ein ganz wichtiger Tipp: Schon von der ersten Gage gleich an die Altersvorsorge denken. Das würde ich wirklich jedem jungen Künstler, der anfängt, in den Beruf zu gehen, empfehlen. Dann sollte man immer versuchen, dass man möglichst viele Standbeine ausfährt. Also sich nie auf dem Ruhm ausruhen und auch nie irgendein Statussymbol kaufen oder das Geld für irgendeinen Quatsch ausgeben. Das kann von heute auf morgen, wie wir ja jetzt alle gesehen haben, schlagartig vorbei sein. Es ist ganz wichtig, dass man ein fettes Polster hat, damit man auch lange Durststrecken überwinden kann.

Sissi PerlingerWas wäre deine Wunschvorstellung für Münchens Kulturszene in 5 Jahren?

So wie man es an manchen Ecken in Berlin erlebt. Dass die Leute sich irgendwelche ehemaligen, kleinen Ladengeschäfte umbauen, Pop-up-Restaurants, Pop-up-Konzerte. Dass da Leute auch für weniger Miete noch irgendwo unterkommen können und dass der Münchner ein bisschen weltstädtischer, offener und toleranter wird. Der Traum wäre natürlich, dass alle Münchner sagen: „Hey, wir freuen uns, wenn wir jemanden Klavierspielen hören und rufen nicht die Polizei“ (lacht).

Warum ist eine Plattform wie „Munich – City Of Music“ deiner Meinung nach so wichtig?

Ich halte das für eine großartige Idee, weil mein persönliches Erleben ist Folgendes: Ich komme zum Beispiel nach Berlin, habe vier Tage Zeit, möchte gerne tolle Konzerte anhören, tanzen gehen und finde mich stundenlang am googeln bis ist sage, dass ich keinen Bock mehr habe, weil es so ein Durcheinander ist. Wenn ich dann auf einen Knopf drücken kann und eine Stadt zeigt mir alle ihre Facetten, das finde ich genial.

Mehr Infos zu Sissi Perlinger finden Sie hier: www.sissi-perlinger.de