„Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht“, dichtete Heinrich Heine 1844. Denk ich an Deutschlands Nachtleben 2021, dann bin ich dicht an einem Alptraum.
Okay, ich persönlich betreibe keinen Club oder keine Diskothek, wie man früher sagte. Aber ich stürze mich trotz meines fortgeschrittenen Alters immer noch gerne ins Nachtleben, um zu tanzen und das Leben zu feiern. Doch in virulenten Zeiten, wie wir sie gerade erleben, ist genau das verboten – wegen des gesundheitlichen Risikos. Dabei sehne ich mich doch so sehr nach brodelnden Bässen, die den Bauch kitzeln, nach knackigen Beats, die in die Beine fahren, nach Lightshows, die das ewig monitorpedierte Auge mal wieder in ferne Galaxien entführen. Nicht zu vergessen: das intensive Gemeinschaftsgefühl der Musikfreaks auf dem Dancefloor.
Wann werden wir all das wieder erleben können? Ein genauer Zeitpunkt steht noch in den Sternen. Schwitzende Körper, die sich beiläufig streifen oder vom Alkohol enthemmte Extravaganzen mit Superspreading-Potential sind natürlich des Virologen Graus. Zugleich führt Tanzen mit Mundschutz zu Atemnot, und Küssen mit Mundschutz ist ein Widerspruch in sich. Das ist also keine Lösung. Die logische Folge: Solange die Herdenimmunität nicht in Greifweite ist, bleiben die Laufstege der Nacht eben einfach geschlossen oder fahren bestenfalls im Sommer unterm Sternenhimmel auf Sparflamme.
So stellt sich die Situation für die Nachteulen, die gern feiern gehen, momentan dar. Aber wechseln wir mal die Perspektive und versetzen uns in die von der Pandemie besonders betroffenen Clubbetreiber, DJs und Barkeeper/innen. Ihr Arbeitsplatz ist seit Monaten verwaist und mit zunehmender Schließungsdauer auch immer mehr gefährdet. Die staatlichen Hilfsgelder, die womöglich anfangs flossen, sind längst aufgebraucht. So langsam kann man also fast schon Wetten abschließen, welche gebeutelten Clubs den Lockdown überstehen werden. Ein paar werden wohl down bleiben, das lässt sich kaum verhindern.
Aber was macht dieser zu erwartende Verlust dann mit der Clubkultur im Allgemeinen? Sie wird definitiv ärmer, weniger variantenreich. Vor allem die Underground-Läden, die finanziell oftmals auf wackeligen Beinen stehen, könnten in nächster Zeit über die Klippe kippen. Und dann? Bleiben etwa nur noch die Pachas dieser Welt und die Schicki-Schuppen mit geldigem Rückgrat übrig? Das wäre überaus bedauerlich, das Nightlife lebt schließlich auch von seiner bunten Vielfalt und den Nischen für die absonderlichsten Musikgeschmäcker.
Was also tun? Wir Konsumenten und Partygänger können im Moment eigentlich nur unsere Lieblingsclubs unterstützen, indem wir ihr Merchandising kaufen und den Machern bei Spendenaktionen ein paar weitere Euros zukommen lassen. Dazu einfach mal bei Startnext (https://www.startnext.com/) vorbeischauen und im Suchfeld allgemein „Club“ oder einen konkreten Namen eingeben. Oder alternativ die Open-Air-Veranstaltungen der Clubs besuchen, wenn sie denn welche machen können. Der Rest liegt dann nicht mehr in unserer Hand. Also Ladies and Gentleman, bitte unbedingt ein paar Euronen in die Zukunft der Clubkultur investieren – und ansonsten hoffen wir einfach mal das Beste …
Alex Wulkow