
Boing Boom Tschak – es ist wieder so weit. Vier Jahre nach „Hab keine Angst, hab keine Angst, ich bin deine Angst“ geht die spannende Kooperation zwischen dem Künstler Jonathan Meese und DJ Hell in die zweite Runde. Der oberbayerische Elektro-Produzent und das Berliner Wunderkind tun sich erneut für eine zündende Mischung zusammen. Denn die manisch kreisenden Sprachperformances von Meese erweisen sich unverändert als geniale Ergänzung zu den hypnotischen Elektro-Klanggebilden, die Hell aus seinen Musikmaschinen zaubert. Auf ihrem ersten Album war die Musik noch eine betörende Reise durch die elektronischen Stilarten von harten EBM-Beats in der Manier von DAF bis zu den einlullenden Sounds der House Music. Das am 11. April 2025 erscheinende Album „Gesamtklärwerk Deutschland“ erinnert dagegen in bemerkenswerter Weise an den Techno-Pop von Kraftwerk in ihrer „Electric Cafe“-Ära.
Mit dem Album von 1986 verstummten die Pioniere der elektronischen Pop-Musik bekanntlich für anderthalb Jahrzehnte. Hätten sie ihren damals dank Digitalisierung erreichten Produktionsstandard weiterentwickelt, klänge das Resultat möglicherweise wie „Gesamtklärwerk Deutschland“. DJ Hell hat mit einer Großleistung wie seinem Album „Zukunftsmusik“ von 2017 schon einmal bewiesen, dass er zu den musikalischen Erben der Düsseldorfer zählt.
Hells neuerliche Reminiszenz an Kraftwerk
Aus dieser Kraftwerk-Hommage macht „Gesamtklärwerk Deutschland“ ohnehin keinen Hehl. Denn das von Daniel Richter gestaltete Cover verweist durch die unheimlich über einer Waldlandschaft einmontierte Riesenpylone auf die emblematisch durch die ersten drei Kraftwerk-Platten zirkulierenden Verkehrshütchen. Kraftwerk-Kenner mögen noch mehr visuelle Referenzen erkennen. Ungleich wichtiger aber ist, dass die brutalistische Betonarchitektur auf dem Cover einen evidenten Bezug aufwirft zum ambivalenten Deutschland-Bild, das der Kunstapokalyptiker Meese in seinen Vocalperformances beschwört. Wo Jonathan Meese ist, darf seine Mama nicht fehlen, und so ist auf dem Album auch die inzwischen 95-jährige Brigitte Meese (Titelfoto, Mitte) zu hören, und dies gleich zweimal!
Ein sehr interessantes Werk wieder einmal von DJ Hell, der Ende der 1980er-Jahre im Tanzlokal Größenwahn seine ersten Erfolge als DJ in München feierte und seitdem zu den bayerischen Aushängeschildern für elektronische Musik gehört. Zum neuen Album wird es auch eine Releaseparty geben, am 23. April im Bergson Kunstkraftwerk.