2022 trinken wir einen Schnaps (oder ruhig auch ein paar mehr) auf die Unterfahrt. Denn dann wird der einzige Münchner Jazzclub von Weltrang 44 Jahre alt. Diese erfreuliche Dauerbrenner-Eigenschaft, der wir von Munich – City Of Music viele weitere Jahre Durchhaltevermögen wünschen, ist doch wirklich ein Grund zum Anstoßen. Denn ansonsten hat die Jazzszene in München nicht mehr ganz so viel zu lachen wie früher. Die Jazzbar Vogler, das Mister B.’s mit seiner Minibühne im Schaufenster, den Kellerclub Hide Out in Neuhausen und den Night Club im Bayerischen Hof kann man heute meinetwegen noch zu den Spielstätten dieser Musikrichtung zählen. Aber sonst?
Sonst sieht es mau aus. Denkt man an früher, dann war die Münchner Jazzclub-Landschaft noch ein buntes Eldorado für Livemusikfans. Manch einem reiferen Mitbürger fällt noch der Hot Club im Augustiner-Keller und der Offiziersclub im Haus der Kunst (Vorläufer des P1) ein, andere erinnern sich ans Café Stadt Wien in der Bayerstraße 27 am Hauptbahnhof oder ans Tabarin in der Thierschstraße am Isartor. Vor allem in Schwabing und der Maxvorstadt hatte der Jazz in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts seine Heimat gefunden. Im Jazzkeller auf dem Areal der heutigen Pinakothek der Moderne, im Allotria in der Türkenstraße, in der Nachteule in der Occamstraße, im Schwabinger Podium (Wagnerstraße), im Studio 15 an der Leopoldstraße, im Kleinen Rondell (Luisen-, Ecke Karlstraße) und im international renommierten Domicile, das erst in der Siegesstraße, dann an der Leopoldstraße residierte. Mit Wehmut trauern auch viele noch dem bis 6 Uhr früh geöffneten Nachtcafé am Maximiliansplatz hinterher, wo wechselnde Jazzbands das nächtliche Heißhunger-Schnitzel musikalisch begleiteten.
Weniger Jazzclubs als früher
Es war also einmal ganz schön was los in Sachen Jazz in München. Heute hält vor allem die Unterfahrt das Fähnlein hoch. Die 1978 gegründete Jazzclub-Institution befindet sich inzwischen in einem der Tonnengewölbe des Einstein-Kulturzentrums. Früher lagerte hier die Unionsbrauerei ihr Bier. In den ersten zwanzig Jahren war der Liveclub noch in der Eckkneipe “Zur Unterfahrt” am Haidenauplatz beheimatet. Der Name Unterfahrt rührt übrigens daher, dass gegenüber dem ersten Standort eine Bahnunterführung liegt. Wie auch immer, der etwas ungewöhnliche Name war nie ein Hindernis auf dem Weg zum Aushängeschild der Münchner Jazzszene – mit internationaler Strahlkraft. Das renommierte US-Magazin “Downbeat” zählt die Unterfahrt zu den „100 great Jazz Clubs of the World“. Den Jazz-Echo gab’s auch schon als Auszeichnung. Und 2012 wurde der Club, der vom Verein Förderkreis Jazz und Malerei München betrieben wird, mit dem Musikpreis der Landeshauptstadt München ausgezeichnet.
Wir freuen uns, dass wir mit der Unterfahrt in München eine bleibende Konstante für Livemusik in heimeliger Kellergewölbe-Atmosphäre haben und wünschen mindestens noch weitere 44 Jahre des Bestehens!
Alex Wulkow (MCoM)